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Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dass es Trauer war. Er seufzte, als er sah, wie für ein paar Momente derselbe Ausdruck über Afdzas entstelltes Gesicht huschte, bevor sich der Maure wieder in der Gewalt hatte. Jemand begann zu klatschen, und dann brandete im ganzen Saal Beifall für die Geste Rolands auf, mit der dieser seinem Waffenbruder die Freundschaft aufgekündigt hatte.
    König Karl wirkte wie jemand, dem ein Geschenk in den Schoß gefallen war und der sich nun fragte, ob dessen Annahme nicht mit zu vielen Opfern verbunden sei. Lediglich Abt Styrmi gab seiner Befriedigung Ausdruck: Er war auf die Knie gesunken, bekreuzigte sich ein ums andere Mal und frohlockte sichtlich darüber, dass der Herr in seiner großen Güte wieder einmal alles zum Guten gewendet hatte.

    »Warum hast du das getan?«, fragte Arima wenig später. Sie hatte Afdza bei der Kirche gefunden, an der Stelle, wo er ihr die maurischen Buchstaben beigebracht hatte. Chlodwig saß ein paar Schritte abseits im Gras und wirkte wie jemand, der die Wendung seines Schicksals noch immer nicht begreifen konnte. »Es heißt, du hast die Friedensverhandlungen in Gefahr gebracht.«
    »Ein Friede, um dessentwillen auch nur ein Mensch umgebracht wird, ist es nicht wert, so genannt zu werden«, sagte Afdza. Er blickte sie nicht an.
    »Das ist nicht der einzige Grund«, sagte Arima. Ihre Stimme schwankte. Was in der Aula geschehen war, hatte sich in Windeseile bis in den Wohntrakt herumgesprochen, und Arima war in den Saal geeilt, bevor die Wachen sie hatten aufhalten können. Als sie Afdza nicht bei der maurischen Delegation gesehen hatte, war sie nach draußen gelaufen.
    »Nein«, sagte Afdza. Und dann, scheinbar unvermittelt: »Erinnerst du dich an deine Träume?«
    »Manchmal.«
    »Was würdest du von einem Traum halten, in dem du ganz allein auf einer Ebene voller Toter stehst, und plötzlich nähern sich Reiter mit kalten, mörderischen Gesichtern, die ihre Schwerter zücken und dir schweigend immer näher kommen, bis sie dich umzingeln …«
    Arima schüttelte sich. »Ich würde hoffen, dass ich ihn nie wieder träumen müsste.«
    »Um ehrlich zu sein«, sagte Afdza, »habe ich Chlodwig wegen dieses Traums gerettet.«
    »Oh Gott, Afdza«, sagte Arima voller Mitleid. »Hast du den Traum vergangene Nacht gehabt?«
    »Ich habe ihn, seit ich denken kann«, erwiderte der Maure. »Allerdings nicht jede Nacht, was ein Segen ist.« Sein Lächeln geriet etwas schief.
    Arima starrte Afdza entsetzt an. Das Verlangen, sich zu ihm zu setzen und die Arme um ihn zu legen, war fast übermächtig. Aber jeden Moment konnte irgendjemand um die Ecke biegen. Es widersprach schon allen Konventionen, überhaupt mit ihm hier allein zu sein.
    »Als ich ihn da stehen und das Todesurteil annehmen sah«, sagte Afdza, »wusste ich plötzlich, wie er sich fühlte. Er fühlte die gleiche Todesangst wie ich in meinem Traum. Und mir war auf einmal klar, warum in meinem Traum die Pferde der Reiter immer so riesengroß sind. Sie sind es gar nicht. Ich bin klein. In diesem Traum bin ich stets ein Kind. Ich starrte Chlodwig an und erkannte, dass auch er im Grunde noch ein Kind ist. Für wie alt hältst du ihn, Arima? Sieh nicht auf den Schmutz und die Kerben in seinem Gesicht, die von schlechter Ernährung kommen, oder auf seine schwieligen Hände. Sieh in seine Augen. Ich habe in seine Augen gesehen im Moment der Urteilsverkündung. Er gibt sich Mühe, so zu tun, als sei er ein Krieger, aber er ist sicher kaum fünfzehn Jahre alt. Er ist ein Junge, Arima. Scurfa ist ein Hund, dass er ihn überhaupt mitgenommen hat.«
    Arima sah zu Chlodwig hinüber. Sie erinnerte sich, wie sie ihn in der Halle von Burg Susatum umgarnt und dann übertölpelt hatte. Jetzt schämte sie sich dafür. Chlodwig versuchte ein scheues Lächeln.
    »Die Narbe«, sagte sie und wusste selbst nicht, wer ihr die Frage eingab. »Woher hast du sie?«
    Afdza fasste unwillkürlich an die Binde über seinem fehlenden Auge. »Sie ist eine Strafe Gottes.«
    »Was?«
    »Das ist sie natürlich nicht, aber ich habe lange Zeit so über sie gedacht. Erinnern kann ich mich nicht – ich war noch ein kleines Kind. Man hat mir erklärt, dass ich wegen eines gläsernen Pokals, den ich unbedingt haben wollte, mit einem anderen Jungen in Streit geriet. In Wahrheit durfte keiner von uns das Kleinod haben. Ich schlug den anderen Jungen nieder, schnappte mir den Pokal und rannte damit weg, aber ich stolperte, der Pokal zerbrach, und ich fiel mit dem Gesicht voran in

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