Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
als habe er das Gefühl für den Begriff »Heimat« verloren. Heimat war dort, wo Arima war, und Arima war sehr weit weg, und er würde sie niemals wiedersehen.
Die anderen verabschiedeten sich wortlos von ihm, als sie das Stadttor passiert hatten. Afdza wusste, Suleiman würde ihn warten lassen, bis er den Bericht der Delegation entgegengenommen hatte. Dann würde er Afdza zu sich bitten, und dieser würde ihm erzählen, was sich wirklich z ugetragen hatte. Nur dass Afdza diesmal beschlossen hatte, einen Teil der Wahrheit zu verschweigen – den, der mit seinem Herzen zu tun hatte.
Afdza bewohnte eine Reihe von Gemächern im Statthalterpalast. Gemessen an der Pracht, in der Suleiman, seine obersten Hofbeamten und Generäle oder manche der reichen Kaufleute lebten, waren sie geradezu karg; doch verglichen mit den Lebensumständen, die die fränkischen Krieger und Adligen gewöhnt waren, residierte er wie ein Herrscher. Chlodwig, der junge Sachsenkrieger, der seit ihrer Abreise von Patris Brunna nie von seiner Seite gewichen war, staunte mit offenem Mund, als er die prachtvoll im maurischen Stil gehaltenen Zimmer zum ersten Mal betrachtete.
»Du darfst einfach so in die Gemächer des Statthalters eintreten, Herr?«, fragte er fassungslos.
Afdza lächelte. Es würde noch genug Zeit sein, Chlodwig Schritt für Schritt mit der Wahrheit vertraut zu machen, nämlich, dass Afdza diese Räume bewohnte. Hoffentlich konnte Chlodwig verkraften, was dann kam – Afdza verfügte über drei Schlafzimmer, und er beabsichtigte, Chlodwig in einem davon unterzubringen. Er ahnte, dass Chlodwig sonst auf dem Fußboden vor Afdzas Bett nächtigen würde. Mit einiger Schwierigkeit zog Afdza sich einen auffälligen Ring vom Finger.
»Hier«, sagte er zu Chlodwig. »Steck ihn an. Wenn dich jemand anspricht, zeig ihn vor, dann weiß jeder, dass du zu mir gehörst.«
»Weshalb, Herr?«, fragte Chlodwig alarmiert. »Gehst du weg?«
»Nein, du gehst weg. Sieh dich ein bisschen im Palast um. Wenn du mir von Nutzen sein willst, musst du dich darin auskennen.«
Chlodwig hatte im Lauf der Reise für sich beansprucht, Afdzas Leibwächter zu werden. Von dem Umstand, dass Afdza selbst im Schlaf zehnmal geschickter und kampfbereiter war als der junge Sachse, hatte er sich nicht entmutigen lassen. »Sollte ich nicht besser bei dir bleiben?«, erkundigte er sich.
»Ich bin hier zu Hause«, lächelte Afdza ein wenig gequält, weil er es zum ersten Mal nicht so empfand.
Chlodwig machte sich zögernd davon. Afdza ging nicht davon aus, dass jemand den jungen Burschen belästigen würde. Suleiman hatte viele Augen, und mittlerweile wusste sicher der ganze Palast, dass Afdza einen Ungläubigen als Knecht mitgebracht hatte. Schlimmstenfalls würde Chlodwig sich in die Palastküche verirren und drei Tage Magenschmerzen haben von den Leckereien, die der Koch ihm zusteckte in der Hoffnung, sich damit bei Afdza lieb Kind zu machen.
Es würde eine Weile dauern, bis Suleiman ihn rufen ließ. Bei aller Verzauberung, die Arima auf ihn ausgeübt hatte, hatte Afdza eines schmerzlich vermisst in den vielen Wochen, die er im Frankenreich zugebracht hatte: ein heißes Bad. Er hatte seinen Dienstboten kaum die Anweisung erteilt, das Wasser vorzubereiten, als Chlodwig wieder zurückkam. Zu Afdzas Überraschung war Abu Taur, der nominelle Leiter der maurischen Delegation, in seiner Begleitung.
»Der da hat vor deiner Tür gewartet, Herr«, sagte Chlodwig, das Musterbeispiel an höfischer Eleganz.
Abu Taur sah sich unschlüssig um. Afdza wartete.
»Die junge Frau von Burg Roncevaux … Arima Garcez …«, begann Abu Taur.
»Was ist mit ihr?«
»Ich werde sie in meinem Bericht nicht erwähnen«, sagte Abu Taur.
»Sie ist aber ein wichtiger Bestandteil der Ereignisse, Herr.«
»Sie ist die Schlüsselfigur. Was ich aber meinte, war: Ich werde nicht erwähnen, dass du … und sie …«
Afdza wusste, dass er dem Mann entgegenkommen musste, wenngleich er Abu Taur als unangenehm empfand. Dennoch konnte er nicht umhin, eine gewisse Erleichterung zu empfinden. Was würde Suleiman denken, wenn er erfuhr, dass Afdza sich in Arima verliebt hatte? Würde er denken, Afdza habe die Mission kompromittiert? Besser, wenn der Statthalter nicht alles wusste.
Abu Taurs Angebot beruhte nicht auf Freundschaft. Hier ging es ausschließlich um strategische Interessen: Afdza würde Abu Taur künftig einen Gefallen schuldig sein. Dass der Delegationsleiter und Wali von Wasqah
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