Der letzte Polizist: Roman (German Edition)
schlecht. Wie es nun mal so ist, wissen Sie?«
Ich nicke, als wüsste ich es, aber alles, was ich weiß, stammt aus Ausbildungsmaterialien der Polizei und aus Cop-Filmen. Persönlich bin ich wie Peter: hin und wieder vielleicht ein Bier. Kein Gras, keine Zigaretten, kein Schnaps. Schon mein ganzes Leben lang. Der magere künftige Polizist, sechzehn Jahre alt, der im Restaurant mit einer Taschenbuchausgabe von Enders Spiel wartet, während sich seine Freunde auf dem Parkplatz draußen mit einer purpurroten Keramik-Bong aus dem Head Shop die Birne zudröhnen und dann kichernd wieder in die Nische g leiten – genau in diese Nische hier. Keine Ahnung, waru m. Einfach mangelndes Interesse.
Unser Essen kommt, und Eddes hält inne, um ihr Sandwich in drei kleine Haufen zu zerlegen: Gemüse hier, Brot dort, Bacon am hintersten Rand des Tellers. Innerlich vor Aufregung zitternd, denke ich über diese neuen Teile des Puzzles nach, die vom Himmel fallen, versuche sie zu schnappen und jeden herunterfallenden Ziegelstein an die passende Stelle zu schieben, wie in diesem alten Videospiel.
Der Asteroid. Die Schuhschachtel.
Morphium.
J.T. Toussaint.
12,375. Zwölf Komma drei sieben fünf was ?
Pass auf, Henry , befehle ich mir. Hör zu. Folge der Geschichte. »Irgendwann im Oktober hat Peter mit den Drogen aufgehört.« Eddes spricht mit geschlossenen Augen, den Kopf in den Nacken gelegt.
»Warum?«
»Ich weiß es nicht.«
»Okay.«
»Aber er hat gelitten.«
»Der Entzug.«
»Ja. Und der Versuch, ihn zu vertuschen. Ohne Erfolg.«
Ich schreibe und versuche dabei, die Zeitleiste für all dies zusammenzustückeln. Der alte Gompers mit seiner von Gin und Unwohlsein getränkten Stentorstimme, während er erklärt, wie Peter bei der Arbeit ausgeflippt ist und das Mädchen angeschrien hat. Das Asteroidenkostüm. An Halloween.
Eddes spricht weiter. »Vom Morphium runterzukommen ist nicht leicht, es ist sogar fast unmöglich. Also habe ich mich freiwillig erboten, ihm beizustehen. Habe ihm erklärt, er müsste eine Weile zu Hause bleiben und ich würde ihm helfen.«
»Okay …«
Eine Woche? , hatte Gompers gesagt. Zwei Wochen? Ich dachte, er wäre endgültig fort, aber dann ist er wieder aufgetaucht. Keine Erklärung, und er war so wie immer.
»Jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit habe ich bei ihm vorbeigeschaut, mehr nicht. Manchmal mit ihm zu Mittag gegessen. Und dafür gesorgt, dass er alles hatte, was er brauchte, ihm eine saubere Decke, Suppe, was auch immer gebracht. Er hatte keine Angehörigen. Keine Freunde.«
In der Woche vor Thanksgiving, sagt sie, war Peter wieder auf den Beinen, zwar noch ein bisschen wackelig, aber bereit, wieder zur Arbeit zu gehen, zurück zu seinen Versicherungsdaten.
»Und die Anrufe jeden Abend?«
»Na ja, in der Nacht ist es am schwersten, und er war allein. Jeden Abend hat er sich telefonisch bei mir gemeldet. Damit ich wusste, dass es ihm gut ging, und damit er wusste, dass es jemanden gab, der darauf wartete, seine Stimme zu hören.«
»Jeden Abend?«
»Ich hatte mal einen Hund«, sagt sie. »Das war weitaus beschwerlicher.«
Ich denke darüber nach und wünschte, es klänge wie die reine Wahrheit.
»Warum haben Sie gesagt, Sie hätten sich nicht so nahegestanden?«
»Weil es stimmt. Vor dem letzten Herbst, vor dieser ganzen Geschichte, haben wir nicht mal miteinander gesprochen.«
»Und warum machen Sie sich dann so viel Mühe mit dem Kerl?«
»Ich musste es tun.« Sie senkt den Blick, schaut weg. »Er hat gelitten.«
»Ja, aber das ist ganz schön viel Zeit und Mühe. Vor allem jetzt.«
»Ja, genau.« Nun schaut sie nicht mehr weg; sie starrt mich an, und ihre Augen blitzen, als wollte sie mich herausfordern, die Möglichkeit eines solchen an den Haaren herbeigezogenen Motivs wie schlichte Menschenfreundlichkeit in Abrede zu stellen. »Vor allem jetzt.«
»Was ist mit den blauen Flecken?«
»Unter seinem Auge? Keine Ahnung. Vor zwei Wochen ist er aufgetaucht und hat gesagt, er sei die Treppe runtergefallen.«
»Haben Sie ihm geglaubt?«
Sie zuckt die Achseln. »Wie gesagt …«
»Sie standen sich nicht so nah.«
»Ja.«
Und auf einmal verspüre ich so einen seltsamen, starken Impuls, über den Tisch zu langen, ihre Hände in meine zu nehmen und ihr zu sagen, dass es okay ist, dass alles wieder gut werden wird. Aber das kann ich nicht, oder? Es ist nicht okay. Ich kann ihr nicht sagen, dass es okay ist, weil es nicht okay ist – und weil ich noch eine Frage
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