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Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Polizist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Winters
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Lippenstift abgewischt hat. Sie sieht kahl geschoren und bezaubernd aus, wie etwas Neugeborenes.
    »Naomi?«
    »Hey, Henry.« Sie schließt die Augen. »Noch etwas.« Öffnet die Augen. »Eines noch.«
    Ich forme mit der Hand einen Schirm gegen das Mondlicht, um sie deutlich sehen zu können. Die Bettlaken knüllen sich an meiner Brust, meine Beine hängen ein wenig über den Rand der Matratze.
    Sie setzt sich unten zu meinen Füßen aufs Bett, mit dem Rücken zu mir.
    »Naomi?«
    »Vergiss es.«
    Sie schüttelt rasch den Kopf, steht wieder auf und spricht, ein Schwall von Worten im Halbdunkel. »Ganz egal, was noch passiert – ganz egal, wie es endet –, das alles war echt und gut und richtig, Henry. Ich möchte, dass du das weißt.«
    »Na klar«, sage ich. »Ja.«
    »Echt und gut und richtig, und ich werde es nicht vergessen«, sagt sie. »Okay? Ganz egal, wie es endet.«
    »Okay«, sage ich.
    Sie beugt sich über mich, küsst mich fest auf die Lippen und geht.

3
    »Palace.«
    » Was?« Ich setze mich auf und schaue mich um. »Hallo? «
    Ich bin es derart gewohnt, vom Telefon aus einem Traum geweckt zu werden, dass ich einen Moment brauche, um zu merken, dass ich nicht von Alison Koechner, sondern von Naomi Eddes geträumt habe, und im nächsten Moment wird mir dann klar, dass es kein Traum war, diesmal nicht – Naomi war real, ist real, und dann schaue ich mich nach ihr um, und sie ist weg. Meine Jalousien sind offen, die Wintersonne wirft flackernde gelbe Rechtecke über die zerknüllten Laken auf meiner alten Matratze, und an meinem Telefon ist eine Frau, die mich anschreit.
    »Sind Ihnen die aktuellen gesetzlich vorgesehenen Strafen für Amtsanmaßung bekannt?«
    O Gott. O nein. Fenton.
    »Ja, Ma’am.«
    Das Fläschchen, das Fläschchen mit Blut. Hazen Road.
    »Ich zitiere sie Ihnen.«
    »Dr. Fenton.«
    »Wer sich als Staatsbeamter ausgibt, wird mit zehn bis fünfundzwanzig Jahren Gefängnis bestraft und gemäß Titel VI angeklagt, was die automatische Inhaftierung bis zum Verfahren, das nie mehr stattfinden wird, bedeutet.«
    »Ich weiß.«
    »Auf die Behinderung strafrechtlicher Ermittlungen steht dieselbe Strafe.«
    »Darf ich es erklären?«
    »Nein, danke. Aber wenn Sie nicht in zwanzig Minuten in der Leichenhalle sind, wandern Sie ins Kittchen.«
    Ich brauche zwei Minuten, um mich anzuziehen, und zwei Minuten, um das Knäuel Papiertaschentücher über meinem Auge auszutauschen. Bevor ich die Haustür schließe, schaue ich mich um: die Campingstühle, die leere Weinflasche. Keine Spur von Naomis Kleidung, von ihrer Handtasche, ihrem Mantel, keine Abdrücke ihrer Stiefelabsätze auf dem Teppich. Keine Spur von ihrem Geruch.
    Aber es ist geschehen. Wenn ich die Augen schließe, spüre ich es – wie mich ihre Finger im Nacken kitzeln, mich näher heranziehen. Kein Traum.
    Zwanzig Minuten, hat Fenton gesagt, und das war kein Scherz. Auf der ganzen Strecke zum Concord Hospital überschreite ich die erlaubte Höchstgeschwindigkeit.
    Genau wie bei meinem letzten Besuch ist Fenton mit ihrem Rollwagen voller medizinischer Gerätschaften allein in der grellen, kalten Helligkeit der Leichenhalle. Die stählernen Schubfächer mit ihren grauen Griffen, der seltsame, traurige Raum mit den Spinden der Verdammten.
    Ich gehe hinein, und sie schaut auf ihre Armbanduhr. »Achtzehn Minuten und fünfundvierzig Sekunden.«
    »Dr. Fenton, ich hoffe, Sie … ich hoffe … hören Sie …« Irgendwie, aus irgendeinem Grund, klingt meine Stimme fast schon tränenerstickt. Ich räuspere mich. Ich versuche, eine überzeugende Erklärung zu formulieren, möchte ihr begreiflich machen, wieso ich Blut gestohlen und unter Vortäuschung falscher Tatsachen testen lassen habe – dass ich sicher war, es mit einem Drogenfall zu tun zu haben, und unbedingt beweisen oder widerlegen musste, dass Peter Zell süchtig war – aber natürlich spielt das jetzt alles keine Rolle mehr, wie sich herausstellt, hat es nie eine Rolle gespielt, es ging die ganze Zeit um Versicherungsansprüche, um Versicherungen – und mittlerweile schmelze ich schon unter der kombinierten Wirkung ihres zornigen Blicks und der Helligkeit der Lampen – und da ist auch Peter, sie hat seinen Körper aus dem Schubfach geholt und auf die kalte Platte des Autopsietischs gelegt, mausetot, in die Lichter über ihm starrend.
    »Es tut mir leid«, ist alles, was ich schließlich herausbringe. »Es tut mir wirklich leid, Dr. Fenton.«
    »Ja.« Hinter den vollkommenen Os der

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