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Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Polizist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Winters
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ziemlich mittelmäßiges Chinafutter, und wir reden über normale Dinge.
    Wir reden über die Welt, in der wir aufgewachsen sind, die fremdartige alte Welt von früher, über Musik, Filme und Fernsehserien von vor zehn, fünfzehn Jahren, über ’N Sync und Beverly Hills, 90210 und The Real World und Titanic .
    Wie sich herausstellt, ist Naomi Eddes in einem Nest namens Gaithersburg in Maryland geboren und aufgewachsen, in »Amerikas uninteressantestem Staat«, wie sie sagt. Dann ging sie ein paar Semester lang aufs Community College und schmiss das Studium wieder hin, um Leadsängerin in einer »schrecklichen, aber wohlmeinenden« Punk-Band zu werden, und als sie dann endlich rausgefunden hatte, was sie wirklich machen wollte, zog sie nach New York City, um erst ihren Bachelor und dann den Master zu machen. Ich höre ihr gern zu, wenn sie in Schwung kommt, es liegt Musik darin.
    »Was war es? Was Sie wirklich machen wollten?«
    »Lyrik.« Sie trinkt einen Schluck von ihrem Tee. »Ich wollte Gedichte schreiben, und nicht bloß in mein kleines Tagebuch in meinem Zimmer. Ich wollte gute Gedichte schreiben und sie veröffentlichen. Will ich nach wie vor.«
    »Im Ernst?«
    »Yes, Sir. Also, ich bin zur Schule gegangen, nach New York gezogen, ich habe als Kellnerin gearbeitet und meine Pennys gespart. Habe Ramen-Nudeln gegessen. Was man eben so tut. Und ich weiß, was Sie denken.«
    »Und das wäre?«
    »All das, und jetzt arbeitet sie bei einer Versicherung.«
    »Nee. Denke ich ganz und gar nicht.«
    Tatsächlich denke ich, während ich einen Wust dicker Nudeln auf meine Essstäbchen häufe, dass sie einer jener Menschen ist, die ich immer bewundert habe: jemand mit einem schwierigen Ziel, der die notwendigen Schritte unternimmt, um es zu erreichen. Ich meine, es ist natürlich leicht, das zu tun, was man immer tun wollte – jetzt .
    Der Minutenzeiger von Naomis Armbanduhr wandert um die Stunde herum und an ihr vorbei, der Drehteller leert sich, vereinzelte Nudeln und leere Sojasaucen-Tütchen liegen auf unseren Tellern herum wie abgelegte Schlangenhäute, und jetzt erzähle ich ihr meine Geschichte: mein Vater, der Professor, meine Mutter, die im Polizeirevier gearbeitet hat, die ganze Geschichte, wie sie ermordet wurden, als ich zwölf Jahre alt war.
    »Sie sind beide ermordet worden?«, fragt Naomi.
    »Ja. Jep. Ja.«
    Sie legt ihre Essstäbchen weg, und ich denke, ach du Scheiße .
    Ich weiß nicht, warum ich die Geschichte erzählt habe. Ich greife zur Teekanne, schenke mir den Bodensatz ein, Naomi schweigt, und ich schaue mich nach unserer Bedienung um und deute auf die leere Kanne.
    Wenn man so eine Geschichte erzählt, über den Tod der Eltern, schauen einen die Leute danach sehr eingehend an. Sie schauen dir direkt in die Augen und stellen ihr Mitgefühl zur Schau, obwohl sie eigentlich versuchen, tief in deine Seele zu blicken und festzustellen, was für Spuren und Flecken dort zurückgeblieben sind. Darum habe ich seit Jahren mit niemand Neuem mehr darüber gesprochen – spreche aus Prinzip nicht darüber –, ich kann auf die Meinungen der Leute über die ganze Sache verzichten, und auf die Meinungen der Leute über mich erst recht.
    Als Naomi Eddes jedoch den Mund aufmacht, sagt sie nur »Wow«, was sie ehrt. In ihren Augen schimmert keine schockierte Faszination, sie versucht nicht, es zu »verstehen«. Bloß diese hingehauchte, ehrliche kleine Silbe, wow .
    »Also, Ihre Eltern wurden ermordet, und Sie widmen Ihr Leben dem Kampf gegen das Verbrechen. Wie Batman.«
    »Jep«, sage ich und lächle sie an, tunke meine letzte Teigtasche in ein Ruderboot mit Ingwer-Frühlingszwiebel-Sauce. »Wie Batman.«
    Der Drehteller wird abgeräumt, und wir unterhalten uns weiter, das Neon blinkt und blinkt, bis es schließlich erlischt, das alte Ehepaar, das Mr. Chow’s führt, kommt mit den langstieligen Besen an, genau wie in den Filmen, dann stellen sie um uns herum schließlich die Stühle hoch, und wir gehen.
    »Okay, Detective Palace. Wissen Sie, was eine Anfechtungsklausel ist?«
    »Nein.«
    »Tja, es ist interessant. Oder vielleicht auch nicht. Sagen Sie’s mir.«
    Naomi rutscht auf ihrem Campingstuhl herum und versucht es sich bequem zu machen. Ich würde mich erneut dafür entschuldigen, dass ich keine anständigen Möbel in meinem Wohnzimmer habe, sondern nur eine Reihe von Campingstühlen im Halbkreis um eine Milchkiste, aber ich habe mich schon mehrmals dafür entschuldigt, und Naomi hat gesagt, ich soll

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