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Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Polizist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Winters
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mir leid, Mr. Gompers.« Ich stehe auf. »Aber Sie werden diese Akten besorgen. Ich will wissen, was alles fehlt, und insbesondere möchte ich von Ihnen erfahren, ob Akten von Peter Zell unter den fehlenden sind. Verstanden?«
    »Ich werde …« Er reißt sich zusammen, richtet sich ein wenig auf und schnäuzt sich in ein Taschentuch. »Ich werde es versuchen.«
    »Nicht versuchen«, sage ich und wende mich von ihm ab. »Sie haben Zeit bis morgen früh. Tun Sie’s.«
    Ich gehe langsam wieder ins Erdgeschoss hinunter, zitternd, erledigt, ausgelaugt, und während ich oben war und Gompers in die Mangel genommen habe, hat der Himmel beschlossen, einen elenden Eisregen herabzuschicken, der mir schräg ins Gesicht peitscht, als ich auf dem Rückweg zu meinem Wagen den Eagle Square überquere.
    Der Mann mit der Spruchtafel stolziert noch immer auf dem Platz herum, Parka und Fellmütze, und er ruft erneut: »Wisst ihr, was die Stunde geschlagen hat?« Ich beachte ihn nicht weiter, aber dann verstellt er mir den Weg. Er hält seine Tafel in die Höhe – HALTEN DIE UNS FÜR BLÖD? –, hält sie zwischen uns hoch wie den Schild eines Zenturios, und ich murmle: »Verzeihung, Sir«, aber er rührt sich nicht, und dann erkenne ich ihn, es ist der Bursche von letzter Nacht, der aus dem Somerset, diesmal ohne seine Harley-Jacke, aber immer noch mit dem dicken, ungepflegten Schnurrbart, den roten Wangen und traurigen Augen.
    Und er sagt: »Sie sind Palace , stimmt’s?«
    »Ja«, und ich merke zu spät, was los ist, ich greife nach meinem Schulterhalfter, aber er hat die Tafel schon fallen lassen und drückt mir etwas in die Rippen. Ich schaue nach unten – eine Pistole, kurz, schwarz und hässlich.
    »Keine Bewegung.«
    »Okay«, sage ich.
    Der Regen plätschert unablässig auf uns beide herab, während wir reglos mitten auf dem Eagle Square stehen. Ein paar Meter entfernt gehen Leute den Bürgersteig entlang, aber es ist kalt, es regnet stark, und alle schauen auf ihre Füße. Niemand nimmt Notiz von uns. Wen interessiert’s?
    »Kein Wort.«
    »Okay.«
    Er atmet schwer. Sein Schnurrbart und sein Bart sind an manchen Stellen fleckig, schmutziges Zigarettengelb. Sein Atem ist abgestanden von altem Rauch.
    »Wo ist sie?«, zischt er. Die Waffe presst sich schmerzhaft in meine Rippen, schräg nach oben, und ich kenne den Weg, den die Kugel nehmen wird, wenn sie sich durch das weiche Fleisch bohrt, Muskeln durchtrennt und in meinem Herzen stecken bleibt.
    »Wer?«, frage ich.
    Ich denke an Toussaints Verzweiflungstat mit dem Aschenbecher. Um so etwas zu tun, hat Alison gesagt, musste er verzweifelt sein. Und jetzt dieser Mann mit seiner Spruchtafel: Angriff auf einen Polizeibeamten, Verbrechen unter Anwendung einer Schusswaffe. Verzweiflung. Die Waffe bohrt sich in meine Seite.
    »Wo ist sie?«, fragt er erneut.
    »Wo ist wer?«
    »Nico.«
    O Gott. Nico. Der Regen wird immer stärker, während wir hier stehen. Ich habe nicht einmal einen Regenmantel an, sondern nur meinen grauen Blazer und die blaue Krawatte. Eine Ratte huscht hinter einem Müllcontainer hervor, rennt über den Platz in Richtung Main Street. Ich folge ihr mit dem Blick, während sich mein Angreifer die Lippen leckt.
    »Ich weiß nicht, wo Nico ist«, erkläre ich ihm.
    »Doch, das wissen Sie sehr wohl.«
    Er rammte mir die Pistole fester in die Rippen, bohrt sie tiefer in die dünne Baumwolle meines Anzughemds, und ich spüre, dass es ihn in den Fingern juckt, sie abzufeuern, seine nervöse Energie erwärmt den kalten Lauf. Ich sehe das Einschussloch in Naomis Kopf vor mir, knapp über dem linken Auge und ein wenig rechts davon. Sie fehlt mir . Es ist so kalt hier draußen, mein Gesicht ist klatschnass. Ich habe meine Mütze im Wagen gelassen, beim Hund.
    »Bitte hören Sie mir zu, Sir«, sage ich und erhebe die Stimme über das Getrommel des Regens. »Ich weiß nicht, wo sie ist. Ich habe selbst versucht, sie zu finden.«
    »Blödsinn.«
    »Es stimmt.«
    » Blödsinn .«
    »Wer sind Sie?«
    »Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf.«
    »Okay.«
    »Ich bin ein Freund von ihr, klar?«, sagt er trotzdem. »Ich bin ein Freund von Derek.«
    »Okay.« Ich versuche mir alles ins Gedächtnis zu rufen, was Alison mir über Skeve und seine lächerliche Organisation erzählt hat: der Catchman-Report, geheime Basen auf dem Mond. Alles bloß Unsinn und Verzweiflung, und dennoch sind wir hier, und wenn dieser Mann nur ein bisschen mit einem einzigen Finger zuckt, bin ich

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