Der letzte Polizist: Roman (German Edition)
bewohnbarer Basen auf der dunklen Seite des Mondes errichtet hat, dass wir eine solche Menge an Ressourcen eingesetzt haben, um das Risiko eines Ereignisses mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von eins zu zweihundertfünfzig Millionen zu minimieren.
Es ist seltsam, denke ich, während ich mich mühsam hochrapple. Meine Schwester ist eigentlich zu klug für so einen Unsinn.
Ich wische mir mit der Rückseite des Ärmels den Mund ab und gehe mit schnellen Schritten zum Wagen.
Der Punkt ist, sie ist es wirklich. Sie ist wirklich zu klug für so einen Unsinn.
»Hm«, sage ich. »Hm.«
Eine Stunde später bin ich in Cambridge, auf dem Platz gegenüber dem Harvard Yard, wo eine Gruppe abgerissener, obdachloser Jungen und Mädchen im College-Alter einen Trommelkreis gebildet hat. Ein paar Hippies tanzen, ein Mann verkauft Taschenbücher aus einem Einkaufswagen, und eine Frau in einem Top jongliert auf einem Einrad mit Bowling-Kegeln und singt dazu »Que Sera Sera«. Eine sehr alte Frau in einem silbernen Hosenanzug raucht eine Marihuana-Zigarette, die sie sich mit einem Schwarzen in Militärklamotten aus dem Second-Hand-Shop teilt. Ein laut schnarchender Betrunkener liegt ausgestreckt auf den Stufen; seine Hosenbeine sind von Urin getränkt. Ein Staatspolizist aus Massachusetts beobachtet die Szenerie wachsam, er hat seine große, verspiegelte Sonnenbrille auf den Ranger-Hut hochgeschoben. Ich nicke ihm zu, das Nicken eines Kollegen, aber er erwidert es nicht.
Ich überquere die Mt. Auburn Street und finde den kleinen grünen Kiosk mit den geschwärzten Fenstern. Da ich noch immer keine Ahnung habe, wo Alison Koechner arbeitet, und unter der alten Nummer niemand das Telefon abnimmt, ist das alles, was ich habe: ein Laden, von dem ich weiß, dass sie oft dorthin geht.
»Sieh an, sieh an«, sagt der Coffee Doctor mit seinem Hut und dem Bart. »Wenn das nicht meine alte Nemesis ist.«
»Verzeihung?« Ich kneife die Augen zusammen und schaue mich in dem dunklen Raum um, der bis auf mich und den Jungen leer ist. Er hebt die Hände und grinst. »Bloß ein Scherz, Mann. Einfach ein Spruch, mehr nicht.« Er zeigt mit beiden Händen auf mich, eine große, übermütige Zwei-Finger-Geste. »Sie sehen aus, als könnten Sie einen Latte vertragen, mein Freund.«
»Nein, danke. Ich brauche Informationen.«
»So was verkaufe ich nicht. Bei mir gibt’s Kaffee.«
Er wuselt hinter seinem Tresen herum, schnell und effizient, setzt den kegelförmigen Siebträger in die Espressomaschine ein und nimmt ihn wieder ab, ein helles Ka-tschunk . Er glättet die gemahlenen Bohnen, stampft sie fest.
»Ich war vor ein paar Tagen hier.«
»Okay«, sagt er, den Blick auf seine Maschine gerichtet. »Wenn Sie’s sagen.«
Die Pappbecher sind immer noch auf dem Tresen aufgereiht, einer für jeden Kontinent, einfach hingehen und seinen Tipp abgeben. In Nordamerika sind nur ein oder zwei Bohnen – in Asien eine Handvoll – in Afrika eine Handvoll. Die Antarktis bleibt in Führung, sie quillt geradezu über von Bohnen. Wunschdenken. Als würde das Ding einfach in den Schnee pflügen und erlöschen wie eine Kerze.
»Ich war mit einer Frau hier. Ungefähr so groß, kurzes rotes Haar. Hübsch.«
Er nickt, gießt Milch aus einer Tüte in ein Metallgefäß. »Sicher.« Er steckt ein Dampfrohr in das Gefäß, legt einen Schalter um, die Milch beginnt zu schäumen. »Coffee Doctor erinnert sich an alles.«
»Kennen Sie sie?«
»Ich kenne sie nicht, aber ich sehe sie häufig.«
»Okay.«
Einen Moment lang verliere ich den Faden, in Trance versetzt vom Schäumen der Milch, schaue zusammen mit dem Coffee Doctor in das Gefäß, und dann schaltet er das Ding mit einer jähen, vogelartigen Bewegung aus, unmittelbar bevor sie übergeschäumt wäre.
»Ta-da.«
»Ich würde ihr gern eine Nachricht hinterlassen.«
»Ach ja?«
Der Coffee Doctor zieht eine Augenbraue hoch. Ich massiere meine Seite, wo der Pistolenlauf des Angreifers eine druckempfindliche Stelle hinterlassen hat, direkt unter den Rippen.
»Sagen Sie ihr, Henry war hier.«
»Geht klar.«
»Und richten Sie ihr aus, dass ich sie sehen muss.«
»Auch das.« Er nimmt eine weiße Keramik-Mokkatasse von einem Haken, füllt sie mit Espresso und schichtet dabei mit einem langstieligen Löffel aufgeschäumte Milch hinein. Hier ist eine Art Genius am Werk, filigranes Feingefühl kommt zum Einsatz.
»Sie haben das nicht immer gemacht«, sage ich. »Kaffee, meine ich.«
»Nein.« Sein Blick
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