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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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damit beschäftigt war, die Daten auszuwerten, die er abgerufen hatte, unmittelbar vor dem Transfer mit Rogge und den anderen, und einige Tage später, nach dem Erwachen in der medizinischen Abteilung der Diplomatischen Vertretung, als die Minerva-Leute längst verhaftet gewesen waren.
    »Ich wäre Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie meine Rede, beziehungsweise eine Zusammenfassung, Ihren Berichten für das Mesh hinzufügen könnten«, sagte Vandover. Er sprach ein wenig zu schnell. »Wer weiß, vielleicht kann ich mich eines Tages dafür erkenntlich zeigen.«
    Was soll das sein?, dachte Xavius, ohne sich seinen Ärger anmerken zu lassen. Ein Bestechungsversuch? Oder eine Drohung?
    Er wandte sich wieder dem Geschehen unten im Saal zu, wo zwei Männer mit dem Vorsitzenden stritten, der noch immer den Signalgeber schwang, jetzt aber wie eine Waffe. Er beobachtete die Auseinandersetzung, doch seine Gedanken weilten noch immer bei Vandover, der gerade befördert worden war, vom Generalkonsul des Enduriums zum Protektor von Bluestone. Vermutlich arbeitete er bereits daran, alles für sich zu beanspruchen, jeden einzelnen Erfolg. Fast hundert Minerva-Angehörige verhaftet, unter ihnen die beiden Anführer Denslow und Rogge. Hektor Rogge, Koordinator des Magellan’schen Zentralrats, Oberhaupt der Kartelle, Regierungsmitglied der Orion-Koalition und Redstar-Beirat, war der wichtigste von ihnen. Ein Mitglied dieses Parlaments, einer der ranghöchsten Splitter-Menschen überhaupt. Und der lebende Beweis dafür, wie eng Minerva mit den Regierungen der Abtrünnigen verbunden war. Welche Informationen würden sich von ihm und den anderen mit einer Sifter-Sondierung auf höchster Stufe gewinnen lassen? Dies war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Ende von Minerva, und allein das bedeutete einen großen Sieg für das Endurium. Hinzu kam, dass die Faust des Regenten das mobile Portal erbeutet hatte und mit seiner Hilfe vielleicht die bisher von Minerva genutzten Subtunnel übernehmen konnte. Vermutlich war es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Changer gefunden wurde, den die Fanatiker als Bezahlung für Archäta von den Ayunn bekommen hatten, und dann konnte niemand mehr leugnen, dass Minerva – und die Regierungen vieler Splitter-Welten – mit dem alten Feind der Menschheit kollaboriert hatten. Dann mussten selbst die hartnäckigsten Skeptiker eingestehen, dass die eingeleitete Annektierung von Magellangraben und Schlund richtig war.
    Das alles erfüllte Xavius mit Genugtuung, aber trotzdem gab es Unbehagen in ihm, wie ein Schatten, der nicht von ihm wich, eine dunkle Ahnung ohne Gestalt und ohne klare Worte. Vielleicht war es eine Folge des Transferschocks, den er trotz des – unvollkommenen – Rigids erlitten hatte und der seit einer Woche von den Medikern der Diplomatischen Vertretung behandelt wurde. Ebenso wie die Gedächtnisstörungen, die ihn manchmal heimsuchten, fehlende Sekunden und Minuten, wie aus seiner Erinnerung gelöscht.
    »Wir haben einen großen Erfolg errungen«, sagte Jarqez Vandover, und in seinem Schwarm-Halo blitzte es auf; Xavius sah es aus dem Augenwinkel, denn sein Blick war nach unten gerichtet, in den Saal der Permanenten Konferenz, wo jetzt nicht nur Datenfolien flogen, sondern auch andere Gegenstände, unter ihnen Markierungsstifte und Kommunikationsmodule. »Wir haben Minerva besiegt!«
    Vor ein paar Tagen hatte es noch »Sie« geheißen. Jetzt sprach der Generalkonsul von »Wir«, und bestimmt dauerte es nicht lange, bis daraus »Ich« wurde. Xavius ärgerte sich darüber, aber nur ein bisschen, nicht annähernd so sehr, wie er sich früher darüber geärgert hätte. Taubheit dämpfte alle starken Empfindungen und ließ Zorn gar nicht erst aufkommen. Er fragte sich, ob auch das eine Folge des Schocks war, oder der Behandlung.
    Unten stritten die Delegierten der Splitter-Welten. Die Bedächtigen und Falschen, die immer nur eine Rolle spielten, nie ihr wahres Gesicht zeigten, die Hinterlistigen und Opportunisten, die Mahner und Fanatiker, die offenen Unterstützer von Minerva und ihre angeblichen Gegner – alle schrien sich an, gaben sich gegenseitig die Schuld, empörten sich über die Verletzung von Regeln und den Bruch von Gesetzen.
    Bis Türen aufschwangen und Dutzende Soldaten des Enduriums in den Saal marschierten. Sie feuerten Warnschüsse in die Luft, trennten die Streitenden voneinander, trieben die Abgeordneten aus dem Saal und verhafteten etliche von ihnen. Zum

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