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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Reibungslosigkeit, die Xavius verblüffte. Alles schien außerordentlich gut vorbereitet zu sein, mit den richtigen Leuten an den richtigen Schaltstellen, und hinzu kam vermutlich das Überraschungsmoment: Die Splitter-Menschen von Bluestone waren so verblüfft, dass sie gar nicht daran dachten – oder noch nicht daran dachten –, sich zur Wehr zu setzen.
    Chronass?, dachte Xavius, als sie eine der Haupttreppen hinabgingen. Hörst du mich? So gute Vorbereitungen erfordern Zeit. Der Militärapparat kommt stets nur mit einer gewissen Trägheit in Gang, von der Logistik eines solchen Unternehmens, das Dutzende von Sonnensystemen und noch mehr Planeten betrifft, ganz zu schweigen. So etwas lässt sich nicht innerhalb von wenigen Tagen organisieren.
    Ich kann dir jetzt nicht antworten, sagte sein geistiger Partner, der ein Teil von ihm war und sich doch immer mehr in eine separate Person verwandelte. Ich empfange gerade eine wichtige Nachricht aus dem Endurium. Der Narr von Generalkonsul wird sie auch gleich bekommen, nehme ich an.
    Vandover plapperte gestenreich von Dingen, die er in den nächsten Tagen und Wochen auf Bluestone ändern würde, aber Xavius hörte nicht hin und führte den Gedanken weiter. Wie lange lagen die schrecklichen Ereignisse an Bord der Zerberus zurück? Ein knapper Monat Objektivzeit war vergangen, und das genügte nicht für so umfangreiche Vorbereitungen. Hier lag ein Widerspruch: Avedo Avedis hatte die Repräsentanten der Splitter-Welten an Bord Seines Flaggschiffes empfangen, weil Er ernst gemeinte Friedensgespräche mit ihnen führen wollte. Ihm war es, darauf deutete alles hin, tatsächlich um eine friedliche Wiedervereinigung der Menschheit gegangen, damit das Endurium stark genug war, der befürchteten dritten Inkursion der Ayunn zu widerstehen. Während Er also mit Rogge und den anderen an Bord der Zerberus gesprochen hatte, war hinter den Kulissen der Angriff auf die Splitter-Welten organisiert worden, trotz der Inkursionsgefahr. Wie passte das zusammen?
    Der Schatten eines Kanonenboots glitt über sie hinweg, und etwas schien Xavius plötzlich zur Seite zu ziehen. Er taumelte, von Schwäche erfasst, und wankte von der Treppe zu einer Plattform, die einige Meter über den Rand der Terrasse hinausreichte. Dort sank er mit zitternden Knien auf eine einfache Polymer-Bank ohne Materialgedächtnis, atmete schwer und hatte Mühe, genug Luft zu bekommen.
    Die beiden medizinischen Assistenten der Diplomatischen Vertretung waren sofort bei ihm. Einer untersuchte ihn mit einem Diagnoser, der andere holte etwas hervor. »Hier, nehmen Sie das. Es wird Ihnen helfen.«
    Xavius sah hoch, und für einen Augenblick glaubte er, in der Hand des Mannes ein Glas mit blauer Flüssigkeit zu sehen. In Wirklichkeit hielt sie einen Dosator, dessen Molekülarchitekt auf verschiedene Wirkstoffe und Arzneimittel eingestellt werden konnte.
    »Schon gut.« Xavius winkte ab. »Ich muss nur ein wenig verschnaufen.«
    »Ich finde es unerhört, dass man keine Rücksicht auf uns nimmt!«, klagte Vandover. »Der Protektor von Bluestone und der erste Chronist des Enduriums – und wir müssen zu Fuß zur Vertretung, durch diese elende Stadt .« Er hob die Hand zum Komm-Modul. »Ich werde einen Schweber mit Prioritätsprivileg anfordern. In zehn Minuten sind wir daheim, Xavis Xavius, und dann werden sich unsere Ärzte sofort um Sie kümmern.« Er trat einige Schritte beiseite, als hätte er dadurch einen besseren Empfang, und Xavius sah, wie sich seine Lippen bewegten.
    Unter ihm breitete sich die Stadt aus, mit mehr als drei Millionen Einwohnern: ein wildes, buntes Durcheinander aus kantigen Gebäuden neben- und übereinander, in allen nur erdenklichen Farben und Farbschattierungen, zwischen ihnen das Gewimmel und Gewusel von Menschen ohne jeden Sinn für Ordnung oder Disziplin. Dass die Streitkräfte des Enduriums gerade den Planeten übernahmen, machte das Chaos in den zahllosen Straßen und Gassen nur noch schlimmer. Klisski sah aus wie ein riesiger außer Kontrolle geratener Organismus, und die Menschen darin, aus dieser Entfernung klein und anonym, waren wie die Maden der Verwesung, die sich durchs faule urbane Fleisch fraßen. Xavius teilte Vandovers Abscheu der Stadt gegenüber, und ihm graute ebenso bei der Vorstellung, auch nur einen Teil von ihr durchqueren zu müssen, um zur Diplomatischen Vertretung zurückzukehren. Er sehnte sich nach der ruhigen, streng reglementierten Überschaubarkeit der Städte im

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