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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Endurium, in denen nicht annähernd so viele Menschen lebten.
    Sein Blick glitt weiter, während ihm der eine Medo-Assistent noch immer den Dosator anbot und der andere Worte an ihn richtete, auf die er nicht achtete. Fast einen Kilometer tief unter ihm, am Rand der Stadt, züngelten die Flammen der Brenner. Sie bildeten den Hauptbestandteil der Barriere, deren Aufgabe darin bestand, die aggressive Flora und Fauna des globalen Urwalds von der Stadt an den Hängen des Tafelbergs fernzuhalten. Wie friedlich er aus dieser Höhe aussah, der Wald, ein grüner Teppich, der die ganze Welt bedeckte, abgesehen von den Inselstädten wie Klisski und von den blauen Steinen, denen der Planet seinen Namen verdankte. Auf Lichtungen, die bis zu einem Kilometer durchmaßen, ragten sie auf, Tausende Jahre alte blaue Säulen, geduldig erbaut von winzigen Insektoiden, die Teil des kollektiven Lebens von Bluestone waren, vielleicht sogar sein Gehirn, wie manche Xenobiologen im Endurium spekulierten.
    Xavius versuchte sich vorzustellen, wie es vor vielen Jahrhunderten auf Bluestone gewesen war, als die ersten Siedler versucht hatten, hier Fuß zu fassen. Das einheimische Leben reagierte langsam, erst nach Tagen, Wochen oder gar Monaten, aber wenn die Reaktion begann, dann mit dem Gewicht einer ganzen Welt. Es reagierte wie ein riesiger Körper auf das Eindringen von Mikroben: indem es Abwehrkräfte mobilisierte und versuchte, die Fremdkörper zu eliminieren. Jeder Grashalm und jedes Blatt, jeder Strauch und jeder Baum, jedes Tier, die kleinen wie die großen – alles verwandelte sich in einen erbarmungslosen Feind, der erst dann Ruhe gab, wenn die identifizierten Fremdkörper neutralisiert oder assimiliert waren. Die damaligen Kolonisten hatten einen verzweifelten Abwehrkampf geführt und sich schließlich zu den »Inseln« zurückgezogen, den Bergen, die aus dem Urwald ragten, den sie als grüne Hölle fürchten lernten.
    Hier die Stadt, an den Hängen des Tafelbergs, bunt und wirr. Xavius hatte sie bereits mit einem Organismus verglichen und die Menschen in ihr mit Maden, jede von ihnen ein Individuum und doch Teil einer größeren Gemeinschaft, einer großen, übergeordneten Entität, die über ein eigenes Leben verfügte, ohne dass die individuellen Komponenten davon wussten. Und dort der Urwald, der den ganzen Planeten umspannte, nur die Polarregionen und die Felseninseln und Lichtungen mit den blauen Säulen aussparte – auch er war ein Metaorganismus, viel größer als das urbane Wesen namens Klisski, und er reagierte auf äußere Reize, konnte sehr aggressiv werden und sich in eine gewaltige Tötungsmaschine verwandeln. Die Bewohner von Bluestone hatten einen Weg gefunden, sich mit diesem grünen Vernichtungsapparat zu arrangieren, indem sie sich hinter Barrieren aus Brennern und Gift versprühenden Servitoren verschanzten.
    Schwärme, dachte Xavius, während er wieder ruhiger atmete und zur Kenntnis nahm, dass der medizinische Assistent den Dosator einsteckte. Jemand hatte ihm von solchen kollektiven Lebensformen erzählt. Wer? Xavius suchte in seinem Gedächtnis, und schließlich fiel es ihm ein. Laurania. Sie hatte ihm von Schwärmen erzählt, von einer absichtlich in eine neue Richtung gesteuerten Evolution, von einer Saat der Letzten Alten. Auf einem Weg aus Eis und Schnee waren sie unterwegs gewesen, am Rand eines riesigen Lochs im Rücken eines Gletschers, auf einer Welt, die der Mond eines anderen, größeren Planeten gewesen war, blau wie …
    Ein heftiges Schaudern packte und schüttelte ihn, und dadurch schienen gewisse Dinge in ihm an den richtigen Platz zu rücken. Xavius fühlte plötzlich die Nähe einer wichtigen Erkenntnis, fast in Reichweite, aber bevor er sich auf den einen Gedanken konzentrieren konnte, der ihn vielleicht in die richtige Richtung geführt hätte, spürte er eine plötzliche Zunahme in der Aktivität der lokalen Netze, in dem Datenflüstern, das ihn begleitete, seit er nach dem Transfer in der medizinischen Station der Diplomatischen Vertretung erwacht war. Aufruhr herrschte im Informationsäther der Stadt, nicht geschaffen von den Truppen des Enduriums, sondern von einer einzelnen Nachricht.
    Der Regent ist tot!
    31
    Der einige Meter entfernt am Rand der Treppe stehende Jarqez Vandover schnappte hörbar nach Luft. »Was?«, ächzte er.
    Das Gremium hat vor einer halben Stunde Objektivzeit den Tod des großen Avedo Avedis bekannt gegeben, Xavius, sagte der Chronass und übertönte die Vielzahl

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