Der letzte Regent: Roman (German Edition)
welchem?«
»Dies ist das zweitgrößte Geheimnis des Regenten. Vom größten erfahren Sie, wenn Sie sich all diesem Wissen öffnen.« Zayac wandte sich halb ab und zögerte. »Bevor ich gehe, Regent … Darf ich Sie um etwas bitten?«
Xavius hörte sich die Bitte an und sagte: »Ich werde es versuchen.«
Zayac schlurfte zur Tür und schien sich kaum mehr auf den Beinen halten zu können. »Ich wünsche Ihnen viel Glück, Regent.«
Xavius sah ihm nach, bis er durch die Tür verschwunden war, und wandte sich dann den Regalen mit den Millionen Büchern zu. Er wusste jetzt, worauf es ankam, und er war neugierig; er wollte auch den Rest erfahren.
Hinter seinen Augen bewegte sich etwas, als das Knistern lauter wurde und den Sturm der Stimmen ankündigte. Die Bücher – Symbole für die Datenbanken der primären KI, mit der er verbunden war – sprangen aus den Regalen, und Xavius öffnete seinen Geist für sie.
Der letzte Regent
57
Wissen tropfte zuerst nur, vorsichtig, behutsam, floss und strömte dann, wurde schließlich zu einer Flut. Und hier war ein Mensch, der mehr war als ein Mensch, der im Übergang vom Leben zum Tod »über seinen Schatten sprang«, wie es ein anderer Sterbender ausgedrückt hatte, dessen Gehirn, von einem Rekombinator verändert, in der Lage war, all die Stimmen zu hören, die zuvor ein Orkan gewesen waren, und jedes einzelne Wort zu verstehen, das sie an ihn richteten. Xavius verstand.
Wir sind Diebe, dachte er. Die Konnektoren und alles andere, es ist gestohlen.
Und er verstand noch mehr. Er kannte das erste Geheimnis des Regenten, das größte von allen.
Der Krieg, dachte er, während Milliarden Stimmen zu ihm sprachen und er ebenso viele Fäden in den Händen hielt und sie verknüpfte, die Fäden der Phalanx. Er muss endlich aufhören. Dies muss ein Ende finden.
Er schickte eine erste Anweisung in die Phalanx.
Ein Pulser fauchte und beendete ein dreieinhalb Jahrhunderte langes Leben.
Xavis M Xavius, fünfter Regent des Enduriums, öffnete die Augen und nahm den Geruch von Lavendel und Oleander wahr, der diesmal von ihm selbst stammte. Er wusste ein Podium unter sich, bestehend aus grauschwarzem Obsidian. Aus diesem Podium ragte eine Hand aus Synthium Drei, noch etwas dunkler als der Obsidian, wie ein Stück Finsternis, das feste Substanz gewonnen hatte, und diese Hand, zur Seite geneigt und die Finger gespreizt, hielt die Interface-Liege, auf der er ruhte. Die Decke einige Meter über ihm zeigte ein glitzerndes Mosaik, bestehend aus zahllosen winzigen Kristallen: eine stilisierte Faust vor dem Hintergrund der Erde.
Es ist meine Faust, dachte er ruhig. Und sie hält alle Welten des Enduriums.
Sein Blick reichte Hunderte von Lichtjahren weit durchs Mesh und die lokalen Netze der vierundachtzig Sonnensysteme. Er sah mit den Augen von Myriaden Sensoren und schickte seine Gedanken über die verschränkten Verbindungen, die allein dem Regenten zur Verfügung standen, durch die Steuerungs- und Verwaltungsnodi aller wichtigen KI-Zentren. Er hatte Millionen von metaphorischen Büchern gleichzeitig gelesen, und jetzt dachte er Millionen von Gedanken gleichzeitig. Xavius begann damit zu steuern und zu lenken, folgte dem neuen Instinkt, den ihm der Rekombinator gegeben hatte.
Er sah auch mit den Sensoren der Stillen Stadt, und einige dieser Sensoren zeigten ihm die Waffe, die Selena Seace den endgültigen Tod gebracht hatte, noch bevor seine toten Augen sie erblickten.
»Sie«, sagte er, ohne überrascht zu sein. Kühle Gelassenheit erfüllte ihn. »Quintus Quiron.«
Auf der anderen Seite des großen Interface-Raums, in den man ihn nach dem Übergang gebracht hatte, sah er den zarten energetischen Schleier von Karsow-Emissionen – ein Phasenmodifikator hatte es Quintus Quiron ermöglicht, hierherzugelangen.
»Sie sind nicht beim Absturz der Rettungskapsel verbrannt«, fügte Xavius hinzu und kletterte von der Liege herunter. Der Vokalisator vor seinem Mund fühlte sich seltsam vertraut an, und selbst der raue, heisere Klang seiner Stimme wunderte ihn nicht. Das alles gehörte zu seiner neuen Existenz.
Der Pulser, der die Promotoria getötet hatte, richtete sich auf Xavius. »Sie sind der falsche Regent«, zischte Quintus Quiron. »Ich sollte Ihren Platz einnehmen.«
Xavius ging zur Treppe des Podiums, blieb dort stehen und betrachtete seine grauen Hände. Einer der Sensoren im Interface-Raum zeigte ihm sein neues Erscheinungsbild. Er trug Hose und Jacke, so dunkel wie die
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