Der letzte Regent: Roman (German Edition)
in dieser Stille knisterte etwas. Xavius’ Blick kehrte zu den Abertausenden Büchern in den Regalen zurück, die sich kilometerweit durch den Saal zogen. Das Knistern stammte von den Worten in ihnen, von eingefangenen, festgehaltenen Stimmen, die zu ihm sprechen wollten.
Xavius versuchte noch immer, es zu verarbeiten, den Anfang des Enduriums zu verstehen.
»Ein Forschungszentrum, CERN genannt, Teile davon unterirdisch …«
»Ja«, bestätigte Zayac. »Der LHC war nur der Anfang. Ich habe ihn damals noch miterlebt. Der Beschleuniger galt als ein großer technischer Sprung nach vorn, aber der eigentliche Durchbruch wurde erst später erzielt, mit dem sogenannten Quantenkondensator und dem Probabilitätselektor, aus dem später der Bogen des Translokators wurde.«
»Sie wussten nicht, dass Sie damit eine Verbindung zum RIT-Netz herstellten.«
»Vielleicht hatten wir einfach nur Pech, was den Sechsundzwanzig aber nichts von ihrer Verantwortung nimmt.«
»Sie führten ein Experiment durch …«
»Unsere Gruppe bestand aus mehr als hundert Wissenschaftlern, von denen nach der Katastrophe siebenundzwanzig überlebten.«
»Die Sechsundzwanzig und Sie«, sagte Xavius.
»Natürlich führten wir nicht nur ein Experiment durch, sondern viele.« Zayacs Stimme gewann einen anderen Klang; Stolz und Schmerz rangen darin miteinander. »Ich erinnere mich an die Aufregung, als wir eine Möglichkeit fanden, Parallelwelten zu erreichen. Wir sahen uns am Anfang eines ganz neuen wissenschaftlichen Zeitalters und erhofften uns eine großartige Entdeckung nach der anderen, aber einer der ersten offiziellen Aufträge betraf die Suche nach Rohstoffen.«
Xavius sah die Wünsche der Einflussreichen und Mächtigen jener anderen Erde: unerschlossene Erdölfelder auf einer menschenleeren alternativen Erde, Erze, Seltene Erden, Helium 3 auf einem noch jungfäulichen Mond. Damals hatte es noch keine Molekülarchitekten und keine programmierbaren Materialgedächtnisse gegeben.
»Stattdessen fanden Sie die Ayunn«, sagte er. Beziehungsweise einen, fügte er in Gedanken hinzu.
»Wir fanden die Säerin.« Zayac beugte sich ein wenig vor, und das von den Büchern kommende Knistern wurde lauter. »Der Translokator holte sie zu uns, es steckte keine Absicht dahinter. Aber wir behielten sie.«
»Sie hielten sie gefangen.«
»Ja, das stimmt leider. Getrennt von ihren Aggregationen mangelte es der Säerin an Intelligenz. Sie wartete zu lange damit, sich uns mitzuteilen. Als sie versuchte, mit uns zu kommunizieren, fehlte es ihren Signalen an Kohärenz. Wir verstanden sie nicht. Wir hielten sie nicht für intelligent und untersuchten sie. Es war die erste höher entwickelte extraterrestrische Lebensform, mit der es die Menschheit zu tun bekam.« Die letzten Worte klangen sehr heiser. Zayac unterbrach sich und hustete; sein ganzer Körper bebte.
»Es geht Ihnen nicht gut«, sagte Xavius.
»Es geht mit mir zu Ende, und es tut gut, mit jemandem zu reden, noch dazu mit dem neuen Regenten. Ich bedauere nur, dass Tabatha nicht hier ist; ohne sie hätte ich nicht so lange durchgehalten. Dass die Phalanx noch existiert, haben wir – haben Sie – ihr zu verdanken. Nun, es waren damals die Signale von Kondensator und Elektor, die die Säerin durch einen der RIT-Tunnel anlockten, deren Bedeutung wir erst später erkannten.«
»Sie haben die Tunnel blockiert, um Ayunn daran zu hindern, die inneren Welten des Enduriums zu erreichen.«
»Ja, aber das kam erst später. Zuerst wussten wir nicht, was es mit den Tunneln und der Säerin auf sich hatte. Die Biologen begannen damit, sie zu untersuchen.«
»Sie nahmen sie auseinander.«
»Wir erkannten sie als Schwarmwesen und lösten Teile von ihr«, sagte Zayac. Einige Sekunden lang blickte er ins Leere und hing Erinnerungen nach. »Unwissenheit verleitet zu Fehlern. Wir machten damals den größten aller Fehler. Wir zogen uns die Feindschaft eines ganzen Volkes zu. Der ZORN der Ayunn – so werden Fehler zur Legende. Nun, die Säerin war lethargisch aufgrund der großen Entfernung zu ihren Aggregationen. Wir hatten sie auf unsere Erde geholt, dort fanden die Untersuchungen statt. Aber es gelang ihr, um Hilfe zu rufen, durch den Translokator. Wir merkten erst etwas davon, als einige Wochen später einige Keile eintrafen. Alle Kommunikationsversuche schlugen fehl. Die Hälfte des CERN-Komplexes wurde zerstört, zusammen mit einem großen Teil der Genfer Region. Plötzlich war die Erde in Gefahr.«
»Sie
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