Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
genügt, um der Seele Frieden zu bringen, dachte er. Aber was hat es mit dem Obelisken auf sich? Seinen Blick hatte er noch immer auf den Schacht und seinen Inhalt gerichtet. Die Erinnerungen brachten ihn dem Artefakt noch viel näher als dieser Blick. Er hatte am Rande des Schachtes gestanden, kaum eine Armeslänge von einem Objekt entfernt, das fast eine Milliarde Jahre alt war. Er konnte die Ewigkeit berühren . Und er erinnerte sich auch noch an etwas anderes. Später, an Bord des Jägers der Sol -Klasse, der ihn zusammen mit General Izzad und anderen nach Armageddon gebracht hatte, war er sehr nachdenklich gewesen und hatte das Materialgedächtnis einer Wand benutzt, um sie in eine Art smartes Observatorium zu verwandeln. Er hatte ins All hinausgesehen, in die Abgründe von Zeit und Raum, und sich gefragt, was es dort draußen gab, an der fernen Spitze des Cygnus-Arms, wem oder was sich der Obelisk der Letzten Alten – von Spezies Drei – mitgeteilt hatte und wie seine Botschaft lautete.
    Dieser Gedanke kehrte jetzt zurück, am Rande des Schlafes, und er wuchs und dehnte sich aus. Dort draußen, dachte Xavius, bei all den Sternen, die unsere Augen und unsere Instrumente sehen, mit denen wir den Blick weiter durch Zeit und Raum schicken … Dort draußen lauern Gefahren. Manche von ihnen kennen wir, zum Beispiel die Ayunn, aber die meisten von ihnen sind uns – noch – unbekannt. Die Leere nach den Äonen der Alten Zivilisationen, von uns Lücke genannt, ist nicht wirklich leer. Es gibt uns, und es gibt die Ayunn, die wir nach zweitausend Jahren noch immer nicht verstehen. Und wenn wir eines Tages – mit Verantwortung, Hingabe, Opferbereitschaft und dem starken, unbeugsamen Willen von Leuten wie General Izzad – diese Gefahr überwunden haben, so warten andere auf uns. Das Endurium schützt uns, die ganze Menschheit. Das Endurium darf nicht wanken, nie, denn sein Fall wäre das Ende des Menschen.
    Es war eine klare Erkenntnis, ungetrübt von der Benommenheit des Schlafs, und aus ihr wuchs Empörung, ein neues Bewusstsein für die eigene Rolle, die eigene Aufgabe. Wie konnten es die dummen, chaotischen Splitter-Menschen wagen, angesichts all der Gefahren, die jenseits der Grenzen des Enduriums lauerten, den Regenten umzubringen, die eine Person, die alles zusammenhielt? Die Ungeheuerlichkeit dieses abscheulichen Verbrechens raubte Xavius für einige Sekunden den Atem, und die sanfte Umarmung des Schlafs lockerte sich ein wenig, als er nach Luft schnappte. Wie konnten sie den Mann umbringen, der Sein Leben geopfert hatte, um sich als Mortus allein der Aufgabe zu widmen, die Menschen zusammenzuhalten und sie zu schützen?
    Wer einen solchen Frevel begeht, hat die schlimmste aller Strafen verdient, dachte Xavius. Seine Augen waren geschlossen und die Wände wieder grau, aber er sah noch immer das All, das große Rad der Milchstraße, wie aus erstarrtem Feuer, und jenseits davon die anderen Feuerräder, Andromeda fast wie ein Spiegelbild, Galaxien so zahlreich wie die Sterne in ihnen. Und ich bin auserwählt, den Schuldigen die Strafe zu bringen.
    Eine ehrenvolle Aufgabe, zweifellos. Schwer und voller persönlicher Gefahren, aber was spielte das für eine Rolle, wenn es um die Zukunft des Enduriums und damit der Menschheit ging?
    Mit diesem tröstenden, stolzen Gedanken schlief Xavius ein.
    11
    Neben dem Superkonnektor von Ratchford-Uyeda schwebte ein leuchtender Ring im All, kobaltblau auf der Ratchford zugewandten Seite, smaragdgrün auf der anderen, die nach Uyeda zeigte. In diesem Ring, in den der RU-Konnektor dreimal hineingepasst hätte, wartete graue Transferenergie auf Tausende von Reisenden und Dutzende von Transportern. Aufgereiht wie die Perlen einer Kette warteten die Schiffe, große und kleine, an festgelegten Haltepunkten, die sich nicht exakt im gemeinsamen Schwerkraftzentrum des Zwillingsplaneten befanden – diesen Platz beanspruchte der Zylinder des Konnektors, dessen wuchtige Rotationselemente unermüdlich Vakuumenergie in den Transferring pumpten. In den Manovratoren blitzte es immer wieder auf, wenn kurzer Schub Position und Bewegungsmoment der Schiffe korrigierte.
    Zwei Planeten – der eine graubraun, hier und dort mit dem Blau von seichten Binnenmeeren; der andere grün, eine von Wald bedeckte Welt, beide etwa so groß wie die alte Erde, oder wie Tibetian – umkreisten einander, wie zwei Ringer, die für einen Moment voneinander abgelassen hatten und sich taxierten, bevor sie wieder

Weitere Kostenlose Bücher