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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Streitkräfte eine große Rolle. Natürlich beanspruchen sie einen großen Teil der uns zur Verfügung stehenden Ressourcen. Immerhin schützen sie die Menschheit vor den Ayunn. Ohne das Endurium, ohne den aufopferungsvollen Kampf unserer Soldaten, Vivi und Morti, wären unsere Welten längst tot und leer wie die Erde.«
    Abgesehen von der Stillen Stadt, dachte Xavius, und vielleicht war es dieser Gedanke, der den Ausschlag gab und ihm dabei half, das angestrebte geistige Gleichgewicht zu erlangen, das er für die nächste – längste – Etappe seiner Reise brauchte. Wenn er bei dieser Mission erfolgreich war, konnte er die Stille Stadt besuchen, und vielleicht bekam er Gelegenheit, sie nicht als Lebender zu verlassen, sondern in ihr den Übergang zu vollziehen und zu einem Morti zu werden. Wenn er sich eine solche Belohnung verdiente.
    »Es heißt, sie sehen alles besser«, sagte er. »Mit ihren toten Augen. Es heißt, dass sie viel mehr sehen als wir, dass sie alles besser erkennen, das Netz aus Zusammenhängen und Konsequenzen, aus Möglichkeiten und Alternativen.«
    »Du meinst die Morti? Ja. Deshalb treffen sie die richtigen Entscheidungen. Weil sie am besten wissen, was für uns alle am besten ist.« Der Mann in der knapp sitzenden blauen Seide lachte leise über das Wortspiel, und Xavius begriff, dass er hier Schluss machen musste. Mehr Autonomie durfte er seinem Alter Ego nicht gewähren, denn sonst drohte eine kaum mehr zu kontrollierende Verselbstständigung.
    »Zur Sache«, sagte Xavius. »Wenn wir Bluestone erreichen, möchte ich, dass du …«
    »Du hast eine wichtige Frage vergessen, Xavis«, sagte der Mann in Blau.
    »Ja? Und wie lautet sie?«
    »War es Zufall?«
    Zwei oder drei Sekunden verstrichen, bis Xavius verstand. »Die Begegnung mit Salyard?«
    »Was sonst?« Der Chronass – Xavius’ kreativer Teil, jetzt von ihm losgelöst und, zumindest für seine vom Schwarm gesteuerte Wahrnehmung, zu einer unabhängigen Person geworden – stand auf, trat zur nächsten Wand und berührte sie. Sofort verschwand das Grau, nicht wegen des Kontakts, sondern weil Xavius’ Mikromaschinen eine entsprechende Anweisung übermittelten. Das Gemeinschaftszentrum des Transporters erschien, und dort, mehrere Meter über dem Boden und an einem Fenster, saßen ein im Endurium wohlbekannter Chronist und ein junger Mann, ein Innovator, der ihn erkannt hatte und für einen Lügner hielt.
    »Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Situation«, sagte der Chronass. »Der Regent wurde ermordet, von Splitter-Menschen, denen anschließend irgendwie die Flucht von der Zerberus gelang.«
    »Und aus dem Sonnensystem«, murmelte Xavius. »An Bord eines Changers der Ayunn.«
    »Davon gehen wir aus, ja. Morti sind auf den Splitter-Welten nicht zugelassen, und deshalb bekommen wir, inzwischen erster akkreditierter Chronist des Enduriums, den Auftrag, zum Feind zu reisen, die Wahrheit herauszufinden und sie auf eine Weise der Öffentlichkeit zu präsentieren, die eine Woge der Empörung über viele Welten fegen lässt. Das Ziel besteht darin, die öffentliche Meinung so zu beeinflussen, damit sie den ursprünglichen Plänen des großen Avedis zustimmt, damit Endurium und Splitter-Welten wieder zueinanderfinden, zu einer neuen Gemeinschaft.«
    Bei dieser Vorstellung regte sich vage Übelkeit in Xavius. Er blickte auf den Ring hinab. »Außerdem soll ich …«
    »Ja, wir sollen töten«, sagte der Chronass. »Der Vorsitzende des Gremiums hat uns zu einem Vollstrecker ›befördert‹. Das ist alles ziemlich außergewöhnlich, nicht wahr? Und dann, während der Reise nach Bluestone, begegnen wir einem Innovator, der uns erkennt und subversive Worte an uns richtet. Ich frage noch einmal: War es Zufall?« Der Chronass drehte sich um, und hinter ihm wurde die Wand wieder grau.
    »Wie kann es kein Zufall sein?«, fragte Xavius. »Niemand weiß von unserem …« Er hielt inne, als er merkte, dass ihm die adaptive Schizophrenie einen Streich spielte. »Niemand weiß von meinem Auftrag. Niemand weiß, dass der Regent tot ist.« Die Worte schienen einen schlechten Geschmack in seinem Mund zu hinterlassen. »Die Splitter-Menschen müssten enorm schnell reagiert haben. Als sie von meiner bevorstehenden Reise nach Bluestone erfuhren – falls sie überhaupt davon erfahren haben –, kann ihnen nicht genug Zeit geblieben sein, jemanden auf mich anzusetzen.«
    »Dies könnte alles Teil eines größeren, sehr sorgfältig vorbereiteten Plans

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