Der letzte Regent: Roman (German Edition)
wichtige Informationen.
»Er hätte die Informationen nicht verstanden.« Tabatha sträubte sich gegen die Vorstellung, dass ein einfacher Vivus – nach welchen Vorbereitungen auch immer – in der Lage gewesen wäre, seinen Geist den Geheimnissen der Stillen Stadt zu öffnen.
Vielleicht nicht.
Wieder strich Tabathas Blick durch den Saal, in dem es mehr Licht als Schatten gab. Es wurde Zeit; sie wandte sich zum Gehen.
Tabatha …
Überrascht drehte sie sich um. »Ja?«
Beschränkt sich deine Neugier darauf? Möchtest du sonst nichts wissen?
Sie überlegte. »Es gibt viele Dinge, über die ich Bescheid wissen möchte. Ich vermute, die meisten Antworten erwarten mich in der Phalanx.«
Eine nicht.
Tabatha trat einen Schritt näher und betrachtete das Gesicht des Schläfers. Dieser Mann hat alles selbst miterlebt, dachte sie. Er war dabei, als die Erde starb und das Endurium geboren wurde.
»Was ist deine Aufgabe?«, fragte sie.
Das darf ich dir leider nicht sagen, entgegnete der Schläfer. Das Wissen darum bleibt dem Regenten vorbehalten.
Da war er erneut, der kalte Wind in ihrem Kopf.
Sie näherte sich weiter, bis sie unmittelbar vor dem durchsichtigen Behälter mit dem Nährgel stand. Weiter hinten, über dem Oval aus Synthium Neun, krochen die bunten Schlangen schneller durch das Displayfeld.
»Was darf ich dich fragen?«
Versuch es einfach.
Tabatha überlegte erneut. Schließlich bewegten sich ihre grauen Lippen und formten fast ein Lächeln. »Erzähl mir deine Geschichte.«
Endlich, sagte ProfDr Rudolph Allan Zayac und erzählte seine Geschichte, zumindest die Teile, die er erzählen durfte.
Fragmente
19
Die Luft war schal, abgestanden und verbraucht, wie bereits von tausend und mehr Lungen geatmet, aber für Xavius roch und schmeckte sie herrlich. Er genoss das Gefühl, wie sie ihn durchströmte und mit neuem Leben erfüllte, die Schwäche aus ihm vertrieb. Grenzenlos erleichtert saß er da, dem Erstickungstod um Haaresbreite entronnen, die rechte Hand auf dem Helm an seiner Seite, die linke in grauem Staub – (wieso lag die rechte Hand auf dem Helm? Er konnte den Helm doch gar nicht abnehmen, denn er gehörte zum Materialgedächtnis des Schutzanzugs) –, den Rücken an etwas gelehnt, das hinter ihm aufragte. Während er dasaß, dankbar für das Wunder, das doch noch geschehen war, glaubte er, sich an etwas erinnern zu müssen, aber was auch immer es sein mochte, es hatte Zeit, es konnte warten, bis er wieder zu Kräften gekommen war.
Dann verdunkelte etwas das Licht der Sonne am türkisfarbenen Himmel, und als er aufsah, bemerkte er einen Kopf, den Kopf des riesenhaften Wesens, an dessen Bein er lehnte, und er sagte: »Ich bin dir dankbar, dass du mich gerettet hast.« Mich, dachte er. Nur mich allein?
»Ich bin der Letzte der Titanen«, donnerte weit oben eine Stimme, die die nahen Ruinen erzittern ließ, die Reste eines Mausoleums, einst gewaltig wie ein Gebirge. Wind strich darüber hinweg; grauer Staub schmirgelte Hieroglyphen glatt. »Und wer bist du, Winzling?«
»Ich bin …« Er fürchtete plötzlich, dass ihm sein Name nicht einfiel, aber da war er, versprach Identität. »Ich bin Xavis V Xavius, erster Chronist des Enduriums.«
»Hier gibt es kein Endurium. Also bist du ein Chronist von nichts.«
Die Stimme klang wie ein Donnergrollen. Xavius dachte an eine andere Stimme, die ähnlich geklungen hatte, geschaffen vom Vokalisator eines Mortus. Die Stimme von Titus M Izzad, General der Streitkräfte des Enduriums, Kommandeur der Siebten Flotte. Ich habe an seiner Biografie gearbeitet, dachte Xavius, und noch etwas fiel ihm ein, eine Frage, die er Laurania hatte stellen wollen. Jemand hatte ihm gesagt, dass General Izzad verschwunden war, an Bord eines Jägers, der die Zerberus nach Thivierge begleitet hatte. (Diese Namen fielen ihm sofort ein, andere nicht. Warum?) Steckte Minerva hinter seinem Verschwinden? Hatten die skrupellosen Fanatiker von den Splitter-Welten seinen Transfer ebenso unterbrochen wie den des Schiffes, mit dem Xavius nach Bluestone unterwegs gewesen war? Und wie hatten sie es angestellt, mit welchen Werkzeugen oder Waffen?
Laurania, dachte Xavius und sah sich um.
Knochen umgaben ihn. Alte Skelette, halb vom grauen Staub bedeckt; von ihrer Kleidung – manche hatten Schutzanzüge getragen – waren nur noch Fetzen übrig, an denen der Wind zupfte. Der Helm, auf dem seine rechte Hand ruhte … Er hatte einem jener Toten gehört.
Und all diese Leute –
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