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Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Titel: Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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der Kreis, den er ausschreitet. Einmal, und nur ein einziges Mal, war er hier. Was mag ihn aus dem Gleis geworfen haben?«
      »Erklärt er nichts?«
      Holmes drückte mir das Telegramm seines Bruders in die Hand:
      ›Muß Dich wegen Cadogan West sehen. Komme gleich. Mycroft.‹
      »Cadogan West? Den Namen kenne ich.«
      »Mir sagt er nichts. Aber daß Mycroft derartig aus der Rolle fällt! Da könnte auch ein Planet seine Bahn verlassen. Wissen Sie, was Mycroft treibt?«
      Ich hatte eine vage Erinnerung, daß mein Freund es mir zur Zeit unseres Abenteuers mit dem griechischen Übersetzer erklärt hatte.
      »Sie sagten mir, er bekleide ein kleines Amt bei der britischen Regierung.«
      Holmes kicherte.
      »Ich kannte Sie damals noch nicht so gut. Über hohe Staatsangelegenheiten zu sprechen, bedeutet, daß man Diskretion wahren muß. Sie denken richtig, wenn Sie vermuten, er sei bei der britischen Regierung beschäftigt. Sie hätten aber in gewisser Weise auch recht, wenn Sie sagten, er ist zuweilen die britische Regierung.«
      »Mein lieber Holmes!«
      »Ich dachte mir, daß es Sie in Erstaunen versetzen würde. Mycroft bezieht vierhundertfünfzig Pfund im Jahr, verbleibt im Status eines subalternen Angestellten, hat überhaupt keine wie immer gearteten Ambitionen, wird weder Titel noch Ehrung empfangen, ist aber gleichzeitig der unentbehrlichste Mann im Lande.«
      »Wie das?«
      »Nun, seine Stellung ist einmalig. Er hat sie für sich selbst geschaffen. Etwas Ähnliches hat es vor ihm nicht gegeben und wird es auch nie wieder geben. Er ist mit dem feinsten, in höchster Ordnung arbeitenden Gehirn begabt, das bei Lebenden nur vorkommen kann, und dessen hervorstechendste Fähigkeit besteht darin, Fakten zu speichern. Die gleichen großen Fähigkeiten, die ich für die Aufklärung von Verbrechen ausgebildet habe, setzt er für sein spezielles Amt ein. Durch ihn gehen die Beschlüsse aller Departements, und er ist die Vermittlungszentrale, die Verrechnungsstelle, die die Bilanz zieht. Alle anderen sind Spezialisten, sein Spezialgebiet ist Allwissenheit. Nehmen wir einmal an, ein Minister benötigt Informationen etwa zu einem Problem, das die Ma rine, Indien, Kanada und zugleich die Frage der Bimetalle berührt; über jedes könnte er getrennte Berichte von den verschiedenen Departements einholen, aber nur Mycroft kann sie übereinbringen und aus dem Stegreif sagen, wie jeder Faktor auf den anderen einwirkt. Anfangs nutzten sie ihn als Abkürzungsweg, weil es für sie so bequemer war; mittlerweile hat er sich unentbehrlich gemacht. In dem einmaligen Hirn, das er besitzt, liegt alles in dem ihm zukommenden Fach und kann im Nu abgerufen werden. Wieder und wieder hat sein Wort die nationale Politik entschieden. Darin lebt er. Er denkt nichts anderes, außer wenn ich mich an ihn wende und ihn für eines meiner kleinen Probleme um Rat bitte, was er dann als eine Geistesübung betrachtet. Heute aber steigt Jupiter herab. Was in aller Welt kann das bedeuten? Wer ist Cadogan West, und was bedeutet er für Mycroft?«
      »Ich hab’s«, rief ich und tauchte in die Zeitungen, die auf dem Sofa herumlagen. »Ja, ja, hier hab ich ihn, das ist er sicher! Cadogan West – den Mann hat man am Dienstagmorgen tot in der Underground gefunden.«
      Holmes richtete sich gespannt auf, die Pfeife blieb auf halbem Weg zu den Lippen hängen.
      »Das muß ernst sein, Watson. Ein Tod, der meinen Bruder zur Änderung seiner Gewohnheiten veranlaßt, kann kein gewöhnlicher sein. Was um alles in der Welt mag er damit zu schaffen haben? Ein unbedeutender Fall, wie ich mich erinnere. Der junge Mann ist offenbar aus dem Zug gefallen und dabei zu Tode gekommen. Er war nicht beraubt, und es gab keinen besonderen Grund, Gewalteinwirkung anzunehmen. War es nicht so?«
      »Es hat eine Voruntersuchung stattgefunden«, sagte ich, »und dabei ist eine ziemliche Menge neuer Tatsachen ans Licht gekommen. Wenn ich sie näher betrachte, möchte ich doch sagen, die Sache scheint eigenartig.«
      »Wenn ich die Wirkung auf meinen Bruder bedenke, komme ich zu dem Schluß, daß es ein ganz außerordentlicher Fall sein muß.« Er machte es sich in seinem Lehnstuhl bequem. »Nun, Watson, gehen wir die Fakten durch.«
      »Der Mann hieß Arthur Cadogan West. Er war
    27 Jahre alt, nicht verehelicht und Angestellter im Arsenal von Woolwich.«
      »Ein Regierungsamt. Beachten Sie die Verbindung mit Bruder

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