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Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Titel: Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Gedächtnis meines Freundes für immer mit den Abenteuern um die Bruce-Partington-Pläne verbunden sein wird.

    Der sterbende Detektiv

    Mrs. Hudson, Sherlock Holmes’ Wirtin, war eine geduldige Frau. Nicht nur, daß die erste Etage ihres Hauses zu jeder Stunde von Massen außergewöhnlicher und oft wenig wünschenswerter Typen heimgesucht wurde, ihr bemerkenswerter Mieter legte auch noch eine solche Überspanntheit und Unregelmäßigkeit in seiner Lebensführung an den Tag, daß ihre Geduld auf eine schwere Probe gestellt wurde. Seine unglaubliche Unordentlichkeit, seine Manier, sich zu unmöglichen Zeiten der Musik hinzugeben, seine gelegentlichen Schießübungen im Zimmer, seine unheimlichen, nicht selten stinkenden wissenschaftlichen Experimente und die Atmosphäre von Gewalt und Gefahr, die ihn umgab, machten ihn zum schlimmsten Mieter Londons. Andererseits bezahlte er königlich. Ich zweifle nicht daran, daß das Haus um den Preis, den er während der Jahre, in denen ich mit ihm lebte, für seine Zimmer bezahlte, hätte gekauft werden können.
      Die Wirtin hatte größte Scheu vor ihm und wagte es nicht, sich in seine Angelegenheiten zu mischen, so abscheulich sie seine Aufführung finden mochte. Sie hatte ihn auch gern, denn er war im Umgang mit Frauen außerordentlich feinfühlig und höflich. Er verabscheute das andere Geschlecht und mißtraute ihm, aber er war ihm ein ritterli cher Gegner. Da ich wußte, daß ihre Sorge um ihn echt war, hörte ich mir ernsthaft ihre Geschichte an, als sie im zweiten Jahr nach meiner Heirat in meine Wohnung kam und mir vom traurigen Zustand erzählte, in dem mein Freund sich befand.
      »Er stirbt, Dr. Watson«, sagte sie. »Seit drei Tagen geht es mit ihm bergab, und ich zweifle, ob er den heutigen Tag überstehen wird. Er will nicht, daß ich einen Doktor rufe. Heute früh, als ich sah, wie abgemagert er ist, und wie er mich aus seinen großen hellen Augen anblickte, konnte ich es nicht mehr ertragen. ›Mit oder ohne Ihr Einverständnis, Mr. Holmes, ich hole sofort einen Doktor‹, sagte ich. ›Wenn schon, dann gehen Sie zu Watson‹, sagte er. An Ihrer Stelle würde ich keine Stunde zögern, Sir, ihn zu besuchen. Sie könnten ihn womöglich nicht mehr lebend antreffen.«
      Ich war entsetzt, denn ich hatte von seiner Krankheit nichts erfahren. Ich brauche wohl nicht zu sagen, daß ich sofort nach Mantel und Hut griff. Auf dem Rückweg fragte ich nach den Einzelheiten.
      »Ich weiß nur wenig, Sir. Er hat unten in Rotherhithe an einem Fall gearbeitet, in einer Gasse am Fluß, und von dort hat er die Krankheit mitgebracht. Am Mittwoch nachmittag hat er sich ins Bett gelegt und ist nicht mehr aufgestanden. Während dieser drei Tage sind weder Speise noch Trank über seine Lippen gekommen.«
      »Du lieber Himmel, warum haben Sie denn keinen Arzt geholt?«
      »Er wollte es nicht, Sir. Sie wissen doch, wie herrisch er ist. Ich wagte nicht, mich ihm zu widersetzen. Aber er macht es nicht mehr lange, das werden Sie sicher auf den ersten Blick erkennen.«
      Er bot wirklich einen jämmerlichen Anblick. Im trüben Licht des nebligen Novembertags war das Krankenzimmer ein düsteres Loch, und das abgezehrte, verwüstete Gesicht, das mich anblickte, ließ mein Herz erbeben. Seine Augen glänzten im Fieber, auf den Wangen malten sich Flecken hektischer Röte, die Lippen waren dunkel verkrustet, die schmalen Hände auf der Bettdecke zuckten unaufhörlich, seine Stimme klang krächzend und verkrampft. Als ich das Zimmer betrat, lag er teilnahmslos da, aber bei meinem Anblick kam ein Schimmer des Wiedererkennens in seine Augen.
      »Ach, Watson, wir sind anscheinend in böse Tage hineingeraten«, sagte er mit schwacher Stimme, und doch lag ein Anflug der früheren Sorglosigkeit in seinen Worten.
      »Lieber Junge!« rief ich und trat an das Bett.
      »Bleiben Sie, wo Sie sind! Bleiben Sie ja, wo Sie sind!« sagte er in gebieterischem Ton, den ich bisher nur in Augenblicken der Krise bei ihm kannte. »Wenn Sie näherkommen, weise ich Sie aus dem Haus.«
      »Aber warum?«
      »Weil ich es so will. Genügt das nicht?«
      Ja, Mrs. Hudson hatte recht: Er war herrischer denn je zuvor. Trotzdem erregte es mein Mitleid, ihn so entkräftet zu sehen.
    »Ich möchte nur helfen«, erklärte ich.
      »Genau darum geht es. Sie helfen mir am besten, wenn Sie tun, was man Sie heißt.«
      »Gewiß, Holmes.«
      Dann hörte er sich weniger streng an.
      »Sie

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