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Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Titel: Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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befriedigen.« (All das kam in kurzen, von schrecklichem Ringen nach Luft unterbrochenen Stößen.) »Ihnen liegt nur mein Bestes am Herzen. Das weiß ich sehr wohl. Und Sie sollen auch Ihren Willen haben, aber lassen Sie mir Zeit, wieder zu Kräften zu kommen. Jetzt nicht, Watson, jetzt nicht. Es ist vier Uhr. Um sechs können Sie gehen.«
      »Das ist Wahnsinn, Holmes.«
      »Sind nur zwei Stunden, Watson. Ich verspreche Ihnen, daß Sie um sechs gehen können. Sind Sie bereit zu warten?«
      »Mir bleibt anscheinend keine Wahl.«
      »Nein, Watson, nein. Danke, ich brauche keine Hilfe beim Bettenmachen. Halten Sie sich bitte auf Distanz. Watson, ich muß noch eine andere Bedingung stellen. Sie werden nicht den Mann zu Hilfe rufen, den Sie erwähnten, sondern den, den ich ausgesucht habe.«
      »Selbstverständlich.«
      »Das sind die ersten vernünftigen Worte, die Sie von sich gegeben haben, seit Sie im Zimmer sind, Watson. Dort drüben stehen einige Bücher. Ich bin wirklich erschöpft. Ich frage mich, wie sich eine Batterie fühlt, wenn sie Strom in einen Nichtleiter abgibt. Um sechs, Watson, werden wir unsere Unterhaltung wieder aufnehmen.«
      Aber es war vorherbestimmt, daß wir sie lange vor dieser Zeit wieder aufnehmen sollten, und zwar unter Bedingungen, die mir einen Schrecken versetzen, der dem kaum nachstand, den ich empfand, als er zur Tür gesprungen war. Einige Minuten lang hatte ich dagestanden und auf die schweigende Gestalt im Bett geblickt. Sein Gesicht verschwand fast zur Gänze unter der Bettdecke, und er schien zu schlafen. Da ich es nicht vermochte, mich ruhig zum Lesen hinzusetzen, ging ich langsam im Zimmer umher und betrachtete die Bilder von berühmten Verbrechern, mit denen alle Wände geschmückt waren. Schließlich kam ich bei meinem ziellosen Wandern zum Kaminsims. Dort lag ein Wirrwarr von Pfeifen, Tabakbeuteln, Spritzen, Taschenmessern, Revolverpatronen und anderem Kram. Mittendrin stand ein kleines schwarz-weißes Elfenbeinkästchen mit Schiebeverschluß. Es war ein geschmackvolles kleines Ding, und ich hatte schon die Hand ausgestreckt, um es näher in Augenschein zu nehmen, als…
      Der Schrei, den er ausstieß, klang schauerlich und war so laut, daß man ihn auch auf der Straße gehört haben mußte. Meine Haut wurde kalt bei diesem entsetzlichen Schrei, und mir sträubten sich die Haare. Als ich mich umwandte, blickte ich in ein verzerrtes Gesicht mit wilden Augen. Ich stand gelähmt, das Kästchen in der Hand.
      »Tun Sie es wieder hin! Tun Sie es sofort hin, Watson, sofort, sage ich!« Sein Kopf sank zurück aufs Kissen, und er gab einen tiefen Seufzer der Erleichterung von sich, als ich das Kästchen wieder auf den Kaminsims gelegt hatte. »Ich hasse es, wenn man meine Sachen anrührt, Watson. Sie wissen, daß ich es hasse. Sie beunruhigen mich über die Maßen. Und Sie wollen ein Arzt sein – Sie bringen es fertig, einen Kranken in die Irrenanstalt zu treiben. Setzen Sie sich, Mann, und lassen Sie mich zur Ruhe kommen!«
      Der Zwischenfall hinterließ bei mir einen äußerst unangenehmen Eindruck. Die heftige, grundlose Erregung und die rüden Worte, die weit von seiner sonstigen Verbindlichkeit entfernt waren, zeigten mir an, wie sehr sein Verstand verwirrt war. Von allen Zerstörungen ist die Zerstörung eines edlen Geistes am beklagenswertesten. Schweigend und niedergeschlagen setzte ich mich hin und wartete, bis die festgesetzte Zeit verstrichen war. Er schien wie ich die Uhr beobachtet zu haben, denn es war kaum sechs, als er in gleicher fieberhafter Munterkeit wie zuvor zu reden begann.
      »Hören Sie zu, Watson«, sagte er. »Haben Sie Kleingeld in der Tasche?«
      »Ja.«
      »Auch Silber?«
    »Ziemlich viel.«
    »Wie viele Half-Crowns?«
    »Fünf.«
      »Ach, zuwenig! Zuwenig! Das ist dumm, Watson! Trotzdem: Stecken Sie sie in Ihre Uhrtasche. Und den Rest des Geldes in die linke Hosentasche. Danke. Auf diese Weise halten Sie besser das Gleichgewicht.«
      Das war rasende Verrücktheit. Er erschauerte und gab wieder einen Ton zwischen Husten und Seufzen von sich.
      »Zünden Sie jetzt das Gas an, Watson, aber achten Sie genau darauf, daß es auch nicht für einen Moment mehr als halb aufgedreht ist. Ich flehe Sie an, seien Sie vorsichtig, Watson. Danke, so ist es ausgezeichnet. Nein, Sie brauchen die Jalousien nicht herunterzulassen. Würden Sie jetzt so freundlich sein, mir einige Briefe und Papiere in Reichweite hinzulegen?

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