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Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Titel: Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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dem Gebiet der Seuchenbekämpfung. Er gibt sich mit dem Schurken ab, ich befasse mit mich der Mikrobe. Das hier sind meine Gefängnisse«, fuhr er fort und deutete auf eine Reihe Flaschen und Glasgefäße, die auf einem Nebentisch standen. »In diesen Gelatine Kulturen sitzen einige der schlimmsten Krankheitserreger der Welt ihre Zeit ab.«
      »Eben Ihre Spezialkenntnisse haben Mr. Holmes bewogen, Sie um einen Besuch bei sich zu bitten. Er besitzt eine hohe Meinung von Ihnen und nimmt an, Sie seien der einzige Mann in London, der ihm helfen könnte.«
      Der kleine Mann fuhr hoch, und das flotte Käppchen fiel zu Boden.
      »Wieso?« fragte er. »Wieso sollte Mr. Holmes annehmen, daß ich ihm in seinen Schwierigkeiten helfen kann?«
      »Wegen Ihres Wissens über fernöstliche Krankheiten.«
      »Aber wie kann er denn wissen, daß die Krankheit, die er sich zugezogen hat, eine fernöstliche ist?«
      »Weil er bei einer Nachforschung in den Docks mit chinesischen Matrosen Berührung hatte.«
      Mr. Culverton lächelte liebenswürdig und hob sein Käppchen vom Boden auf.
      »Ah, darum handelt es sich also«, sagte er. »Ich nehme an, es ist keine so schwerwiegende Sache, wie Sie glauben. Seit wann ist er denn krank?«
      »Seit ungefähr drei Tagen.«
      »Deliriert er?«
      »Manchmal.«
      »Ts, ts. Das klingt ernst. Es wäre unmenschlich, seinem Ruf nicht zu folgen. Im allgemeinen nehme ich jedwede Unterbrechung meiner Arbeit übel, Dr. Watson, aber dies ist gewiß ein Ausnahmefall. Ich komme sofort mit Ihnen.«
      Ich erinnerte mich, was Holmes mir eingeschärft hatte.
      »Ich habe noch eine andere Verabredung«, sagte ich.
      »Gut. Dann gehe ich allein. Ich weiß, wo Mr. Holmes wohnt. Sie können sich darauf verlassen, daß ich spätestens in einer halben Stunde bei ihm bin.«
      Mit klopfendem Herzen betrat ich Holmes’ Schlafzimmer. Nach allem, was ich wußte, konnte während meiner Abwesenheit das Schlimmste passiert sein. Zu meiner großen Erleichterung hatte sich sein Befinden in der Zwischenzeit sehr gebessert. Er sah zwar noch totenbleich aus, aber Spuren von Delirium waren an ihm nicht mehr zu entdecken, und wenn ich auch zugeben muß, daß er mit schwacher Stimme sprach, so klang doch aus seinen Worten eher die gewohnte Lebhaftigkeit und Klarheit.
      »Nun, haben Sie ihn angetroffen, Watson?«
      »Ja, er kommt.«
      »Bewundernswert, Watson! Bewundernswert! Sie sind der beste Bote.«
      »Er wollte gemeinsam mit mir kommen.«
      »Das durfte keinesfalls sein. Das wäre absolut unmöglich gewesen. Hat er gefragt, was mir fehlt?«
      »Ich habe ihm von den Chinesen im East End berichtet.«
      »Fein! Watson, Sie haben alles getan, was ein guter Freund tun kann. Sie können jetzt von der Szene abtreten.«
      »Ich muß warten und seine Meinung hören.«
      »Natürlich müssen Sie das. Aber ich habe Grund anzunehmen, daß seine Meinung offener und wertvoller ausfällt, wenn er glaubt, wir zwei wären unter uns. Da, hinterm Kopfende meines Bettes ist noch Platz.«
      »Mein lieber Holmes!«
      »Ich fürchte, es gibt keine andere Lösung, Watson. Das Zimmer eignet sich nicht sehr zum Verstecken, erweckt aber dadurch auch nicht gleich Verdacht. Genau dort, Watson, stelle ich mir vor, geht es.« Plötzlich setzte er sich im Bett auf, und sein Gesicht erstarrte vor Spannung. »Ich höre den Wagen, Watson! Schnell, Mann, wenn Sie mich gern haben! Und rühren Sie sich nicht, was auch geschieht – was immer geschehen mag, verstehen Sie? Sprechen Sie nicht! Bewegen Sie sich nicht! Sperren Sie nur Ihre Ohren weit auf.«
      Dann versiegte die plötzliche Kraftaufwallung, und seine gebieterische, sachliche Rede verebbte in dem leisen, schwerverständlichen Gemurmel eines halb bewußtlosen Menschen.
      Von dem Versteck aus, in das ich so hastig gedrängt worden war, hörte ich Schritte auf der Treppe und das Öffnen und Schließen der Schlafzimmertür. Dann folgte zu meiner Überraschung eine lange Stille, in der sich lediglich die schweren Atemzüge und das Keuchen des Kranken vernehmen ließen. Ich konnte mir vorstellen, daß der Besucher am Bett stand und auf den Leidenden hinunterblickte. Schließlich wurde die seltsame Stille unterbrochen.
      »Holmes!« rief der Besucher, »Holmes!« rief er mit dem Nachdruck, der einen Schlafenden wekken soll. »Hören Sie mich nicht?« Aber dann war da ein Geräusch, als habe er den Kranken roh an der Schulter

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