Der Letzte Tag Der Schoepfung
kampflustig das Kinn, als er die auf seinem Schreibtisch ausgebreiteten Fotos mit der Lupe musterte. Was da unverhofft aus dem Vatikan eingetroffen war, passte genau in den gezeichneten Rahmen und zu den beiden Steinchen, die aus den Jahren 1959 und 1968 stammten, aus Algerien und von Gibraltar. Die Glomar Challenger musste mit Bohrungen in der Balearensenke die letzten Steinchen des Mosaiks liefern. Die Vorbereitungen zu dem Deep Sea Drilling Projekt der National Science Foundation würden bald anlaufen, die Gelder für das Forschungsvorhaben standen bereit.
Francis warf einen Blick auf die schon etwas abgenutzten Kapitänsstreifen an seiner Uniformjacke. Es war höchste Zeit, dass er einen Schritt weiterkam, und er spürte befriedigt den Aufwind, den das Projekt mit der Sendung aus Rom erhalten hatte. Er würde auch ihn ganz nach oben reißen. Einer Beförderung zum Admiral stand dann nichts mehr im Wege.
Er zielte mit dem Plastiklineal und erschlug eine Fliege, die sich auf dem gestochen scharfen Foto der Reliquie niedergelassen hatte. Ein Blutfleck verunzierte den Unaussprechlichen des hl. Vitus, aber das störte Captain Francis nicht.
Er schabte sich mit der Kante des Lineals den Nasenrücken und lächelte, wobei er die Oberlippe mit dem schmalen Schnurrbart hob und die Zungenspitze zwischen seine großen gelben Schneidezähne und die Unterlippe schob. Er grunzte zufrieden.
Er war sehr, sehr zuversichtlich.
Der Streitwagen von Gibraltar
Während sich Österreicher und Franzosen im Spanischen Erbfolgekrieg um den Thron stritten, brachten sich die Briten mit sicherem Blick fürs Wesentliche in den Besitz des wichtigsten Stützpunkts im westlichen Mittelmeer. Am Morgen des 4. August 1704 stürmten deutsche Söldner Gibraltar, nahmen es im Handstreich und hissten die Flagge Großbritanniens.
Der Dschebel al-Tarik, der Felsen des Tarik, so benannt nach dem berühmten arabischen Feldherrn, der hier mit seinen Truppen 711 Fuß fasste, um die Pyrenäenhalbinsel zu überrennen, ist ein Klotz aus Jurakalk, der zusammen mit dem auf afrikanischer Seite westlich von Ceuta gelegenen Dschebel Musa einen schmalen Riegel bildete, der einst den Atlantik vom Mittelmeer trennte. Da im Mittelmeerbecken mehr Wasser verdunstet, als ihm von Flüssen zugeführt wird, ist ein ständiger Zustrom von Wasser aus dem Atlantik die Folge. Diese Wassermengen haben im Laufe der Jahrmillionen eine Bresche von mehr als 300 Metern Tiefe und 24 Kilometern Breite gesägt: die Straße von Gibraltar. In die südliche Flanke des Felsklotzes von Gibraltar frästen sie zwei Terrassen, den Windmill Hill und die Europa Flats, die zur Punta de Europa hin abfallen und sich geradezu ideal zur Befestigung eignen. 1714 mit dem Friedensvertrag von Utrecht im Besitz bestätigt, begannen die Engländer mit dem Ausbau zum Flottenstützpunkt.
Es hat in Spanien nie an Stimmen gefehlt, die die Rückgabe forderten; es gab sogar einige Eroberungsversuche, die jedoch kläglich scheiterten. Aber da England für die Spanier meist ein willkommener Verbündeter gegen Frankreich war, wie etwa während der Napoleonischen Kriege, blieb die britische Stellung, von der aus sich alle Flottenbewegungen zwischen Mittelmeer und Atlantik überwachen lassen, unangefochten.
Als Napoleon von der Bühne der Geschichte abgetreten war, mehrten sich wieder die Stimmen im Lande, die für eine »Befreiung« des Felsens plädierten. Zwar hatten die Stimmen kein Gewicht und die politischen Hitzköpfe waren mit der liberalen Revolution, mit der französischen Intervention und anschließend mit einem blutigen Bürgerkrieg zwischen Karlisten und den Anhängern der Regentin vollauf beschäftigt, doch da in Spanien alles, was auch nur entfernt nach Reconquista klingt, die nationalen Leidenschaften zu entzünden vermag, taktierten die Engländer auf Gibraltar behutsam und unauffällig. Jeder Zusammenstoß mit Einheimischen musste unweigerlich zu Querelen mit den europäischen Großmächten führen, die den Briten die strategische Position neideten und jede Schlägerei zwischen Matrosen der Royal Navy und spanischen Fischern zum »Freiheitskampf« emporstilisieren würden. Deshalb entschloss sich 1843 der Kommandant des Stützpunkts, Sir Walter Griffith, die Befestigungen über der Sandnehrung nordöstlich des Moorish Castle verstärken zu lassen. Im Herbst 1843 begannen die ersten Schanzarbeiten.
Das Gelände sollte möglichst unauffällig verändert werden, um den Nationalisten die Absicht
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