Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
Vom Netzwerk:
Quieken wie von einem Schwein vernahm, warf er sich zu Boden und duckte sich. Das wilde Getrampel dieses Viehs auf dem Holzboden des kleinen Steinhauses mit den vier rötlich glimmenden Fenstern dröhnte ihm entgegen. Das Haus wackelte angesichts der Wut dieses Monstrums.
    Er weinte und bettelte darum, nicht in das kleine Haus schauen zu müssen, aber da merkte er, dass er schon durch ein Kastenfenster hineinspähte. Dort drinnen entdeckte er die Schwarz-Weiß-Fotos von Martha Lake und Bridgette Clover zwischen anderen Bildern von jungen Gesichtern mit Bärten und langen Haaren und sommersprossigen Gesichtern, die er nie vorher gesehen hatte. Die Fotos lagen auf einem breiten Bett mit einem samtenen Baldachin, der die Farbe von überreifen Trauben hatte. Auf dem Bett war eine Gestalt zu erkennen. Ihr kleiner, haarloser Kopf war ihm abgewandt. An der hinteren dunklen Wand sah er andere Menschen, die mit den Gesichtern zur Wand, die Köpfe gesenkt, auf dem Boden knieten. Sie suchten Schutz vor dem dichten, endlosen Regen, der vom Wind über die ausgetrocknete Landschaft getrieben wurde, ein Regen, der sich wirbelnd mit der Asche und dem Rauch vermischte, die von einem fernen, tiefrot leuchtenden Feuer herrührten. Rauchwolken wogten durch den schmierig wirkenden Himmel, und er wagte nicht aufzublicken.
    Er ging los, um das Tor zu suchen, um von hier zu entkommen. »Ich mache nur einen Film«, sagte er verzweifelt lächelnd und musste sich gleichzeitig bemühen, nicht in Tränen auszubrechen,
wie es zu dem nackten Kind mit den schmutzigen Füßen, das er war, gepasst hätte. Aber die Gestalt in der schwarzen Robe, die schweigend vor dem geschlossenen Tor stand, bewegte sich nicht. Das Gesicht im Innern der Kapuze konnte er nicht erkennen. Sie hielt zwei Hunde an der Leine, tatsächlich aber waren es zwei Männer auf allen vieren, deren Gesichter so knallrot angemalt waren wie ihre Fingernägel. Die Hunde-Männer bellten und versuchten, an ihm hochzuspringen.
    Der Regen war jetzt ganz warm und leuchtete rot, wenn er auf die Haut traf. Vor dem Tor lagen zahllose Vögel vor seinen Füßen, ihre schwarzen Federn zerrauft vom rußigen Wind. Ihre Köpfe waren nur knochige Schädel, die Schnäbel standen weit offen. Die Frau mit der Kapuze grunzte wie ein Schwein.
    Etwas versuchte, das Tor zu durchbrechen. Er konnte das Kratzen hören, das Schaben der Klauen auf dem rauen Holz. Etwas wollte hier zu ihm herein. Also schrie er laut auf …
     
    … erwachte und starrte mit weit aufgerissenen Augen zur Zimmerdecke. Auf die Leuchte mit dem runden Schirm aus Milchglas. Er setzte sich auf. Sah die Informationen für den Brandfall, die an der Tür hingen, den flackernden Fernsehschirm, den Schreibtisch und seinen Laptop, den Rucksack, den DAT-Rekorder. Motel-Zimmer . Kyle lag auf dem Bett. Er drehte sich zur Seite und sah auf seine Armbanduhr: Es war vier Uhr morgens.
    Er streifte sein schweißgetränktes T-Shirt ab und warf es auf den Boden. Zog seine Socken und seine Jeans aus. Stolperte unter die Dusche. Auf solchen Schlaf konnte er verzichten. Noch zwei Drehtage, und dann war die Sache erledigt. Vorbei.
    Er schaute sich die Wände im Badezimmer genau an: Alles war sauber. Er drehte die Dusche an und ließ das heiße Wasser auf sich prasseln. Währenddessen entschied er, seine Träume von nun an lieber für sich zu behalten. Dan hatte schon genug am Hals.

Phoenix, Arizona
20. Juni 2011, 19 Uhr
     
    Hank Sweeney, Detective der Mordkommission im Ruhestand, legte seine Arme, die aussahen wie dicke, mit weichem Fell überzogene Äste, auf die blank polierte Tischplatte. An seinem Handgelenk, inmitten der vielen weißen Härchen, glitzerte eine goldene Uhr. Seine Hand war mit zahllosen Sommersprossen übersät. Für das Interview hatte er sich extra eine Krawatte umgebunden, an die Dan das Mikrofon geheftet hatte. An der Wand hinter seinem rosig glänzenden, breiten kantigen Schädel und dem fleischigen Nacken hingen vier Beförderungsurkunden, drei Medaillen, zwei Fotos, auf denen er als junger Mann eine Uniform der US Airborne Cavalry trug, und drei weitere Bilder, auf denen er in Polizeiuniform zu sehen war, wie er die Medaillen überreicht bekam. An den umliegenden Wänden hingen zwei antike Winchester-Gewehre, eine löchrige und ausgeblichene Regimentsfahne und gekreuzte Kavallerie-Säbel.
    Das klimatisierte, helle Haus, in dem sich sein großzügiges Arbeitszimmer befand, hatte die Ausmaße eines Palastes. Draußen wässerte

Weitere Kostenlose Bücher