Der letzte Tag: Roman (German Edition)
hier unsere Show gewesen –, fingen sie an, überall in der Mine nach Fingerabdrücken zu suchen. Die grasten alles ab. Wenn man die unkenntlichen und verschmierten Abdrücke unter den vierhundert gefundenen rausnahm, blieben nur vierunddreißig deutliche und brauchbare Spuren übrig. Neunundzwanzig davon gehörten entweder den Toten oder den Überlebenden, die wir in der Mine in der Nacht des 10. Juli 1975 vorfanden.
Wir nahmen dann Fingerabdrücke von allen im Zusammenhang mit den Morden Befragten, sogar aus Kalifornien und New Mexico. Außerdem verglichen wir die sauberen Abdrücke aus der Mine mit denen von fünfzehntausend registrierten Gewalttätern in den Staaten. Alles negativ. Wir führten Befragungen mit Lügendetektor bei den fünfzehn Personen durch, die Ende 1974 aus der Mine abgehauen waren. Wir gingen alle verfügbaren Karteien durch. Wir schauten uns die Vergangenheit der Opfer genau an. Gingen sogar noch den abseitigsten Theorien nach. Alles wurde in dem Bericht festgehalten.«
»Mr. Sweeney, können Sie uns was über die Verdächtigen sagen, die Sie befragt haben?«
»Haben Sie alle Zeit der Welt? Ich nicht. In den frühen Tagen der Sekte kamen und gingen die Leute. Das war zwischen 73 und 74. Damals verbreitete es sich wie ein Lauffeuer in San Francisco, dass es eine neue Sekte namens Tempel der Letzten Tage gab. Wir haben in den ersten drei Monaten der Ermittlungen gut hundert Personen befragt. Darunter waren auch Jugendliche, die von Zuhause weggelaufen waren, Herumtreiber, Obdachlose,
die aus dem einen oder anderen Grund eine Weile in der Mine hausten: Schulabbrecher, Aussteiger, die auf Spaß aus waren, Drogensüchtige, Drückeberger oder beides. Hippies, Rocker, Kleinkriminelle, Ex-Häftlinge, was auch immer. Wir haben auch eine Menge Hollywood-Typen interviewt, die bei Schwester Katherine in ihrem kalifornischen Haus herumhingen. Musiker, Schauspieler. Die haben wir aus Los Angeles herkommen lassen.«
»Was für einen Eindruck von der Sekte bekamen Sie? Was ging dort in der Mine im Jahr 1974 vor sich? Was haben die Befragten erzählt, vor allem die, die dann dort weggelaufen sind?«
»Vielen hat nicht gefallen, was sie sahen, als sie erst mal persönlich dort hinkamen. Und alle, die nicht total verrückt waren, haben uns so ziemlich dasselbe erzählt. Dass Schwester Katherine alles bestimmte, aber selbst nie in Erscheinung trat. Die meisten von uns befragten Leute, die in der Mine gewesen waren, hatten sie nie zu Gesicht bekommen, nur ihr Bild an den Wänden in jedem der Häuser gesehen. Sie benutzte alle möglichen Einschüchterungsstrategien, um sich die Leute gefügig zu machen, und beherrschte sie alle mithilfe einer hierarchischen Gruppe, die sie von ihrem Anwesen aus dirigierte. Das war diese Gruppe von Vollidioten, die sich die Sieben nannten. In Frankreich war es genauso gewesen und auch in England, das konnte jeder herausfinden, den es interessierte. Und uns hat es interessiert. Wir waren sehr gründlich.« Sweeney hielt inne und nippte an seiner Limonade.
»Im Sommer des Jahres 1974 wurden es immer weniger in der Mine. Viele Leute fanden es nicht mehr gut, dass sie ihr Geld und ihren Besitz abgeben mussten. Anderen war das Bibelstudium zu heftig. Vielen wurde es unheimlich, als sie mitbekamen, wie einige der Mitglieder immer heftiger auf den Kult abfuhren. So wie die Sieben. Gegen Ende, ein Jahr später, war nur noch ein harter Kern übrig, der ziemlich übel drauf war. Die nannten sich Moloch, Baal, Chemos, Erebus und Belial, um die Namen
der Wichtigsten von diesen Schwachköpfen zu nennen. Für alle anderen war das Leben dort so ähnlich wie im Gefängnis. Einige junge Frauen hatten Kinder und wollten sie nicht verlassen. Also blieben sie dort.«
»Was geschah im letzten Monat im Jahr 1975? Welchen Eindruck hatten Sie von der Gruppe kurz vor dieser Nacht des Aufstiegs?«
»Ungefähr zwanzig Personen lebten im letzten Monat noch in der Mine. Sie wollten die Sekte auf ›das nächsthöhere Niveau‹ bringen, wie Bruder Belial es ausdrückte. Schwester Katherine hat im letzten Jahr die Kontrolle mehr und mehr verloren. Jemand erzählte, Schwester Katherine hätte sich am Ende nur noch wie ein kleines Mädchen verhalten. Sie war geistig völlig verwirrt. Ich meine, die hat allen Ernstes diesen Belial aufgefordert, sie zu töten. Die war total paranoid, weil sie eine Polizeirazzia fürchtete und das FBI und die CIA. Sie hatte versucht, diesen Journalisten, Levine, zu
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