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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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jemals eine Frau gesehen, die Kröten ausspuckt? Und solche grässlichen kleinen Schlangen? Direkt aus dem Mund?«
    »Das haben Sie gesehen?« Kyle konnte kaum seine eigene Stimme hören. Er räusperte sich. »Wir … ich hab das Gleiche gesehen. In der Normandie. In ihrem Zimmer … im Bett. Die Kröten und Schlangen waren in ihrem Bett.« Er war sich nicht sicher, zu wem er jetzt sprach. Vielleicht nur zu sich selbst.
    Martha sah ihn an, mit einer Mischung aus Abscheu, Mitleid und Angst. Aber in ihren blutunterlaufenen Augen und an der
Art, wie sie das Gesicht verzog, sah er, dass sie das alles wiedererkannte. »Wie ich schon sagte. Wir sind alle verflucht. Wir sind gezeichnet. Nennen Sie es, wie Sie wollen. Und nun ist es wieder zurückgekommen.«
    »Was? Was ist zurück?«
    »Die Träume. Und die Veränderungen, die diese Träume bewirken. Wenn die eigenen Hände und Füße, Arme und Beine nicht mehr die eigenen sind. In den letzten beiden Wohnungen, die ich gemietet hatte, bin ich in einem anderen Raum aufgewacht. Einem, den ich überhaupt nicht kannte. Deshalb bin ich umgezogen. Aber es hat nichts gebracht.« Sie schüttelte den Kopf und seufzte resigniert. »In der Mine … wie ich schon sagte, da hat mich irgendwas aus meinem eigenen Selbst gezogen. In der Mine habe ich geträumt, ich würde über der Wüste schweben. Ganz weit oben flog ich über sie hinweg und schaute nach unten. Damals redete ich mir ein, es seien die Drogen. Wir haben jede Menge davon konsumiert. Aber in den letzten Monaten, als das alles wieder anfing, habe ich mich gefragt, ob Katherine uns nicht viel mehr weggenommen hat als nur unser Geld und unsere Freiheit. Das genügte ihr nicht. Mir kommt es jetzt so vor, als wollte sie unsere Körper besitzen. Unsere Existenz. Unser Bewusstsein. Als Menschen hat sie uns gehasst. Hat alles getan, um uns innerlich zu vernichten. Deshalb hat sie uns die Kinder weggenommen. Sie wollte nicht, dass wir in unseren Kindern existieren. Sie wollte sie leer.«
    »Martha, wo ist Ihr Sohn jetzt?«
    »In Sicherheit. Das Gericht hat ihn mir weggenommen, wegen meines Lebenswandels. 1983 bekam ich ihn zurück. Ich hab mein Scheißleben nie mehr in den Griff bekommen. Aber ich konnte mich genug zusammenreißen, um ihn an einen sicheren Ort zu bringen. Weil es nämlich nie vorbei war. Weder ’75 noch heute. Bridgette wusste das.« Martha brach erneut in Tränen aus und sah zum Fenster. »Ich bin die Letzte. Die anderen hat Katherine
sich schon geholt.« Sie nickte vor sich hin. »Und ich kann nicht mehr davonlaufen. Ich bin am Endpunkt angelangt.«
    Sie drehte abrupt den Kopf und schaute Kyle direkt an, aschfahl und mit leerem Gesicht. »Da gibt es etwas, das Sie unbedingt sehen sollten. Max möchte bestimmt, dass Sie es filmen.« Sie stand auf. »Wenn Sie die Blutsfreunde sehen wollen, müssen Sie mit mir kommen.« Sie blickte Dan an. »Sie nehmen am besten gleich die Kamera mit, bevor sie wieder verblassen. Auf Holz oder auf Putz bleiben sie nie lange. Ziegelsteine halten die Schatten am besten fest.«
     
    Sie durchquerten Zimmer, die düsterer wirkten als leere Kirchen. Ihre Füße dröhnten laut auf den nackten Treppenstufen, sie wurden selbst zu Silhouetten mit verwischten Konturen, während sie nach oben stiegen, tiefer in das dunkle Haus hinein. Sie kamen an zwei Fenstern vorbei, und jedes Mal verspürte Kyle den Drang stehen zu bleiben und sehnsüchtig durch die Scheibe nach draußen zu schauen. Aber sein Magen krampfte sich vor Anspannung zusammen, während er hin- und hergerissen zwischen ängstlichem Zögern und morbider Sensationslust weiter hinaufstieg, um das zu sehen, was Martha bis hierher gefolgt war. Martha führte sie einen Flur entlang, der nur spärlich von einer nackten gelben Glühbirne beleuchtet wurde, vorbei an geschlossenen Zimmertüren zu einer schmalen Treppe am Ende des Korridors im ersten Stock. Sie stieg vier Stufen hinauf und schob einen Riegel zurück, um ihnen Zugang zum Dachboden zu verschaffen. Über ihre Schulter hinweg sah sie Dan und Kyle an. »Sie kommen von hier.«
    Kyle und Dan tauschten Blicke aus. Dan grinste leicht ver ängstigt hinter seinem Sucher, aber als er Kyles Miene bemerkte, verschwand auch der letzte Rest von Belustigung aus seinem Gesicht. Vielleicht erinnerte er sich jetzt auch an die Überreste dieser eigenartigen Erscheinungen, auf die sie gestoßen waren. Sie
waren ja auf den wackeligen Bildern zu sehen, die sie gemacht hatten, während sie zitternd

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