Der letzte Tag: Roman (German Edition)
Reality-Drama, nach PR-Ritualen für sich selbst, alle wollten gesehen und gehört werden und in Erinnerung bleiben. Es war ein Weißes Rauschen der Selbstsucht. Schwester Katherine war nur der grausame Höhepunkt in einem pathologischen Zeitalter.
Dans Gelächter erfüllte das Hotelzimmer. Er streckte den Arm aus und legte ihn um Kyles Schultern. Der bemühte sich, nicht zu lächeln. »Aber das, was wir hier mitbekommen haben, das ist die Essenz von allem. Das ist der Gipfelpunkt. Das, was damals in den Sechzigern passiert ist. Das ist doch sonnenklar. Eiskalt berechnende Gauner. Naive Menschen, die verzweifelt nach etwas oder jemand suchen, an das oder den sie glauben können. Gibt’s da einen Unterschied zu heute? Wer möchte schon gern gewöhnlich sein? Na? Niemand, so sieht es aus. Jeder möchte singen und tanzen und Aufmerksamkeit erregen. Wofür? Hat das wirklich was mit Talent und Berufung zu tun? Hat es irgendeine Bedeutung? Hat jemand wirklich ernsthaft darüber nachgedacht? Hält es überhaupt länger vor als nur ein paar Minuten? Spielt das denn eine Rolle? Die können gern meinen Mittelfinger in den Nachrichten bringen. Den dürfen alle sehen. Die können meinen Arsch bloggen, wenn sie mögen.«
Dan kicherte. »Genau, so ist es richtig. Das ist der Text, der kurz vorm Abspann kommt. Trink noch einen Schluck.«
»Will ich nicht.« Kyle rieb sich die Augen und setzte sich auf. Er schaute Dan an. »Ich bin fertig, Alter. Einfach bloß fertig. Ich muss unbedingt schlafen. Ich hab nicht mehr geschlafen seit … Ich weiß nicht mehr, seit wann. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich diese Straße in der Wüste, ich sehe die Warteschlangen am Flughafen, ich sehe die Filmaufnahmen, während das Navi mir sagt, dass ich rechts abbiegen soll, die ganze Nacht, o Mann. Ich hab Angst vorm Schlafen. Mir kommt es so vor, als wäre das alles in mich eingedrungen. Als wäre ich in diesen ganzen Scheiß eingedrungen, in sie . So wie Martha mich angeschaut hat …« Kyle kniete sich hin, stand auf, griff nach der Zigarettenpackung auf dem Nachttisch. »Dieser Dachboden, Dan.« Er schüttelte den Kopf und zündete sich die Zigarette an. »Dieser verdammte Dachboden.«
Dan zuckte mit den Schultern. »Ich versuche, nicht daran zu denken. Halte es mir, so gut es geht, vom Leib.« Er blickte Kyle ernst und traurig an. »Ich kann mir das nicht erklären. Es sei denn, jemand manipuliert uns. Und Max auch. Malt diese komischen Dinger an die Wände, bevor wir hinkommen. Versteckt sich in einem der Gebäude der Sekte und führt uns an der Nase herum, während wir filmen.« Dan hob beide Hände. »Es könnte sein, dass jemand uns Angst einjagen will. Mit so einer Tinte, die bei UV-Licht verblasst.
»Und meine Wohnung? Und das Hotel in Caen?«
»Das ist aber wahrscheinlicher als das, was Martha uns einreden wollte. Weil ich so etwas nämlich nicht akzeptieren kann. Tu ich einfach nicht. Das war die einzige Möglichkeit mit hier rüberzukommen, um den Film fertig zu machen. Und indem ich mir sage, dass diese Heimsuchungen, falls es sie überhaupt gibt … keine Ahnung … Geister, Erscheinungen, egal … dass sie mich nicht verletzen können. Verstehst du?«
»Sogar nach allem, was die Polizisten und Emilio Aguilar uns erzählt haben? Du glaubst also nicht, dass die … was weiß ich … dort draußen in der Kupfermine irgendwas heraufbeschworen haben? Oder in Frankreich? Dass sie etwas aus dem Jenseits gelockt haben? Ich komme mir ja selbst lächerlich vor, wenn ich so darüber rede, aber es ist etwas Unwirkliches. Etwas, für das es keine vernünftige Erklärung gibt.«
Dan schüttelte den Kopf. »Ich verstehe es und ich akzeptiere es. Jedenfalls für eine Weile. Ich weiß, ich bin ziemlich ins Schwanken geraten. Aber jetzt bin ich wieder auf dem Boden der Tatsachen, und mein Kopf funktioniert wieder richtig. Und stellt fest, dass das alles nicht sein kann. Mein Gefühl sagt mir, ich sollte so weit wie möglich weglaufen. Wir müssen die ganze Sache mit der gebotenen Vernunft betrachten. Anders kann ich das nicht. Und Gott sei Dank ist es jetzt vorbei.«
»Und der Schuh? Dieses grässliche verkokelte Ding auf ihrem Tisch? Solche Sachen sind auch in der Wüste erschienen. Die himmlischen Briefe, wie Katherine sie genannt hat. Sie sind offenbar auch im zweiten Jahr in Frankreich erschienen. Nachdem Gabriel dort weggegangen war. Sie hat diese Dinger mit nach Amerika gebracht. Martha sagte, sie hätte eine ganze Sammlung
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