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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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lang war das jetzt her? Ein paar Tage. Es fühlte sich wie Jahre an. Es ging schnell mit ihm bergab.
    Er kniete auf dem Fußboden, krümmte sich, und jeder Muskel in seinem Körper war zum Zerreißen gespannt. Seine Erschöpfung musste sich jetzt auf die eine oder andere Art äußern, und er hatte keine Kontrolle mehr darüber, wie das geschah. Er schlug mit den Handflächen auf den Teppichboden und schrie: »Scheiße !« Dann sah er zu Dan auf. »Das ist einfach zu viel.« Er konnte nicht anders, er begann zu schluchzen. Vergeblich kämpfte er gegen die Tränen an. »Zu viel, ich kann nicht mehr …«
    »He, Alter.« Dan kniete sich neben ihn auf den Boden, hielt aber etwas Abstand.
    »Diese merkwürdigen Leute. Was ist denn bloß los mit denen? Ist es das, worauf so etwas hinausläuft? Macht? Wirkt sich das jetzt auch bei uns aus? Die hat ihre Anhänger versklavt. Vergewaltigt. Ausgeraubt und umgebracht, ihre eigenen Leute, die ihr alles geopfert haben. Sie hat ihnen die Kehlen durchgeschnitten. Sie lebendig begraben, wie wir gehört haben. Warum? Sie alle waren verdammt, sobald sie ihr begegnet waren. Es ist genau wie Martha gesagt hat, sie waren verdammt.«
    Kyle drehte sich auf den Rücken, streckte die Beine aus und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Spielt das denn jetzt noch eine Rolle? Die Menschen, Dan, tun alles … sie tun alles, um Ansehen zu erlangen. Geld. Diese Psychopathen, für die wir gearbeitet haben. Die uns die Ideen gestohlen haben. Jeder ist nur darauf aus, den anderen zu hintergehen oder zu erledigen. Aber wofür denn? Für irgendeine bescheuerte Story, die spätnachts im Fernsehen gezeigt wird? Wer braucht das, wer will das haben? Wen interessiert das? Und warum soll man diesem kranken Scheiß überhaupt irgendwelche Aufmerksamkeit schenken, hm?
Charles Manson, Reverend Jones, Scheißschwester Katherine? Wieso treibe ich mich hier in Amerika herum und beschäftige mich mit diesem Dreck? Oh, Katherine hatte bestimmte Bedürfnisse. Bedürfnisse! Wollte geliebt werden. Angebetet. Es ist überhaupt kein Unterschied, Alter. Big Brother . Totale Kontrolle. Genau dasselbe. Ich bin eine durchgeknallte Berühmtheit, das durchgefickte Supermodel! Auf Eis serviert!«
    Dan grinste ihn an, dann schüttelte er sich vor Lachen. »Darf ich das filmen? Für die DVD mit den Extras?«
    »Was denn? Geht es nur darum, Alter? Ist das das Beste, was wir tun können? Nach vielen Millionen Jahren der Evolution setzen wir irgendwelche beknackte Kultscheiße um Berühmtheiten in die Welt, pumpen die Egos von Irren auf, bis sie uns das ganze Geld weggenommen haben, dann lassen wir uns von ihnen in den Arsch ficken und die Kehle durchschneiden. Dabei sollten wir ihnen die Kehle durchschneiden!« Kyle merkte, wie seine Wut abebbte. Er schloss die Augen und spürte, wie sein Blut in den Adern pochte. In seinem Kopf drehte sich alles, ihm war schlecht. Er riss die Augen wieder auf. »Ich schätze, ich bin fertig, Alter. Mit allem. Mit dem Leben, der Arbeit, den Menschen. Mit dem, was sie wollen. Mit dem, was diese Monster wollen. Um Himmels willen!« Kurz hatte er die Vision von sich selbst, wie er irgendwo ganz alleine lebte, sein eigenes Essen anbaute und Wasser aus einem Brunnen trank. Er stellte sich vor, wie ruhig es dort wäre. »Vielleicht sollte ich jetzt aufhören. Das Honorar einstecken. Meine Schulden bezahlen. Und alles sausen lassen.«
    »Du bist viel zu sensibel für diese Arbeit. Das war schon immer so.«
    Kyle ging nicht auf Dans Bemerkung ein. Er hatte es schon öfter gehört, sich selbst sagen hören und es immer wieder beiseitegeschoben. »Weißt du, als wir auf dem Flughafen ankamen, hab ich mir die Leute um uns herum angesehen.« Kyle lag noch
immer auf dem Boden, schüttelte den Kopf und starrte zu der mit Styroporplatten beklebten Zimmerdecke. »Viel zu viele von denen bildeten sich ein, sie hätten ein Publikum. Sie spielten eine Rolle. Weil heutzutage jeder glaubt, er sei auf einer Bühne. Die Show vom Ich , Alter. Facebook, Twitter. Leck mich am Arsch, Twitter. Handys? Hä? Die kommunizieren nicht, die veranstalten eine Show. Alle sollen es sehen. Die Große Show vom Ich . Und wir sind das Publikum für jeden Volldeppen mit einem iPhone. Ich kann nicht mal den Fernseher einschalten, ohne dass mich so eine dämliche Tussi mit blitzenden Zähnen angrinst.«
    Es war der Druck, der ständige Druck von anderen Persönlichkeiten, der verzweifelte Wunsch nach Aufmerksamkeit, nach einem eigenen

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