Der letzte Tag: Roman (German Edition)
einer Einundzwanzig jährigen mit sechzehn Messerstichen getötet wurde. Die Mörderin hieß Susan Atkins und gehörte der ›Familie‹ von Charles Manson an.«
Dan sah Kyle mit der gleichen Verunsicherung an, mit der er seinem Freund begegnete, seit sie das Haus von Martha Lake verlassen hatten. Dan hatte ihn schon früher so erlebt, als seine Idee für eine Dokumentation über Ufologen von Unreal Pictures gestohlen worden war, als seine letzten beiden Freundinnen ihn verlassen hatten und nachdem seine letzten drei Finanzierungsanträge gescheitert waren. Vor Dan einen Nervenzusammenbruch zu haben, schien jetzt auch eine Angewohnheit zu werden.
»Drei Angehörige dieser Gruppe, die sich ›Familie‹ nannte, töteten außerdem Sharon Tates Gäste. Erschossen, erwürgten und erstachen drei Besucher und außerdem eine vierte Person, die gerade dabei war, das Haus zu verlassen, als die Mörder auftauchten. Der Typ hatte wirklich Pech, er war nur gekommen, um den Hausmeister zu besuchen.
Die Mörder schmierten mit dem Blut ihrer Opfer Graffiti an
die Wände. Sie schrieben ›Schwein‹ an die Haustür. Manson hatte seine jungen Anhänger losgeschickt, um einen Musikproduzenten zu töten. Der hatte sich geweigert, Mansons Musik herauszubringen. Aber der Produzent war schon längst ausgezogen und hatte das Haus an Sharon Tate und Roman Polanski vermietet.
In der Nacht darauf fuhren Mansons Killer zu einem anderen Haus in Los Angeles. Vielleicht war es nur zufällig ausgewählt worden, oder die Sekte hatte dort mal eine gewisse Zeit verbracht. Das ist egal. Das Ehepaar, das sie dort umbrachten, war ihnen völlig unbekannt. Sie schrieben ›Tod den Schweinen‹ und ›Erhebt euch‹ an die Wände und benutzten dafür wieder das Blut der Opfer. Schmierten die Worte ›Healter Skelter‹ an die Kühlschranktür. Es sollte eigentlich ›Helter Skelter‹ heißen, als Aufruf zu dem von Manson beschworenen Rassenkrieg, den er im Text des Songs vom White Album der Beatles vorhergesagt glaubte. Aber sie konnten nicht mal die Worte richtig schreiben.«
»He, Kyle, es ist vorbei, okay?«
Kyle ging nicht darauf ein. »Mansons ›Familie‹ versuchte außerdem, alle Zeugen umzubringen, die gegen Charles Manson aussagten. Einmal wollten sie eine junge Frau töten, indem sie ihr einen mit LSD kontaminierten Hamburger gaben. Manson ließ sogar seinen eigenen Verteidiger während des Prozesses ermorden.«
»Kyle.«
»Der jüngste Mörder der ›Familie‹ war siebzehn, der älteste sechsundzwanzig. Die meisten waren um die zwanzig. Und als Manson im Gefängnis war, führten seine Anhänger Raubüberfälle durch, planten die Entführung einer Boeing 747 und wollten einen Präsidenten umbringen. Bei Gerald Ford hätten sie es beinahe geschafft. Mansons Liebling, Squeaky, kam bis auf einen Meter an den Präsidenten heran, als der mit seiner Eskorte unterwegs war. Sie war als Nonne verkleidet. Ihre Pistole funktionierte nicht, weil sie vergessen hatte durchzuladen. Sie lebt in
der Umgebung des Gefängnisses von San Quentin, weil sie in der Nähe von Charlie sein möchte. Sie glaubt, er sei Jesus.«
»He, Kumpel, bitte.«
Kyle schenkte sich noch etwas Whisky ein und trank einen Schluck. »Reverend Jim Jones ließ neunhundert seiner Anhänger vergiften oder erschießen während seiner ›Weißen Nacht‹ in Guayana im Jahr 1978. Es war ein sogenannter Massenselbstmord. Die Erste, die sterben musste, war eine Frau mit ihrem einen Monat alten Baby. Viele Sektenmitglieder nahmen den vergifteten Traubensaft freiwillig ein. Sie stellten sich in einer Schlange an, um das Zyankali aus Pappbechern zu trinken oder es sich injizieren zu lassen. Ein Arzt bereitete das Gift in einem Labor vor. Sechzig Menschen allerdings weigerten sich und wurden umgebracht. Sie wurden von Sicherheitsleuten erschossen oder ihnen wurde gewaltsam Zyankali verabreicht. Kinder, die sich weigerten, bekamen das Zyankali mit einer Kanüle in den Rachen gespritzt. Die Mörder warteten ab, bis der Schluckreflex kam und sie sicher sein konnten, dass die Opfer das Gift wirklich herunterbekommen hatten. Sie starben in Todeskrämpfen. Zuckend und blutend, übergaben sich dabei. Und die ganze Zeit über predigte und schrie Jones über die Lautsprecheranlage …«
Dan stand auf. »Okay, okay! Ich hab’s verstanden. Verdammte Scheiße, Kyle. Es reicht jetzt. Herrgott noch mal.« Dans Gesicht drückte weniger Verstimmung als Ekel aus. »Du lässt dich viel zu sehr in diese
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