Der letzte Tag: Roman (German Edition)
nachzuvollziehen?«
»Verrückt. Sie sind total verrückt, Max.«
Max starrte auf den in der Nähe auf dem Boden stehenden Tageslichtsimulator. Als er weitersprach, klang es, als wollte er nicht nur Kyle, sondern auch sich selbst überzeugen. Sein gesundes Auge bekam einen unangenehm intensiven Ausdruck: »Sie ist ziemlich sorglos und verschwenderisch mit ihrem neuen Körper umgegangen. Als sie merkte, wie Chets Körper um sie herum reifer und kräftiger wurde, fühlte sie sich unverwundbar. Dank ihres Reichtums, ihres Ruhms und ihrer Macht, ihrem Einfluss unter den Hollywood-Berühmtheiten und ihren mystischen Verbindungen. Aber sie war alles andere als unverwundbar. Ihre Exzesse machten sie krank. Ihre sadistische sexuelle Rache an
schönen Männern und Frauen hatte schlimme Konsequenzen. Ihr Hang zu blutigen Spielen ebenfalls …« Er drehte sein Gesicht hastig Kyle zu und grinste beinahe triumphierend. »Und deshalb ist Schwester Katherine gezwungen, eine weitere Transformation durchzuführen. Ihre nächste Wiederkunft ist schon ein ganzes Stück fortgeschritten. Wussten Sie, dass Chet Regal und seine letzte Ehefrau einen Jungen adoptiert haben, den sie Avaritia Luxuria genannt haben?«
»Lassen Sie mich bloß mit solchen kranken Sachen in Ruhe, Max.«
»Sie stecken doch längst tief mit drin, mein Lieber.«
Kyle stand auf. Er bebte vor Angst und Abscheu und musste sich mit einer Hand an der Stuhllehne festhalten.
»Wir sind noch nicht fertig, Kyle. Sehen Sie das denn nicht? Sie wurde bereits einmal wiedergeboren. Und hat in ihrer neuen Form jahrzehntelang existiert. Sie hat sich in diesen kleinen Jungen versetzt, aus dem dann der Schauspieler Chet Regal wurde. Dabei war sie noch nicht einmal mit ihm verwandt. Trotzdem kann man in seiner Biografie alle bekannten Verhaltensmuster erkennen. Ihre Gier, ihren Sadismus, ihre Grausamkeit. Und einen pathologischen Drang zur absoluten Macht. Das dürfte Beweis genug sein.«
»Er äfft sie nach. So wird es sein, alles andere ist unmöglich.«
»Ich wünschte, es wäre so einfach, Kyle. Und was ihren Drang zu blutigen Mordtaten betrifft, so hat sie den in ihren neuen Körper ebenfalls mitgebracht.« Max deutete auf den Bildschirm. »All die Morde der letzten Zeit wie auch die Entführungen sind Teil eines grotesken Rachefeldzugs. Eine Weiterführung dessen, was in den Siebzigerjahren begann.«
»Max, bitte …«
»Auf ihr Betreiben konnten die alten Freunde sich an den Schwächeren ihrer versprengten Anhänger vergehen, an jenen, die in der Nacht des Aufstiegs in der Nähe gewesen waren. Sogar
nachdem sie die Kupfermine verlassen hatten, wurden ihre Opfer weiterhin in ihrem Alltag und vor in allem ihren Träumen von diesem Fluch heimgesucht. Weil sie gezeichnet waren. Weil ihnen dieser schauderhafte Geruch anhaftete. Ihre unglückselige Verbindung mit den ›Erscheinungen‹ war unauflöslich. Deshalb gerieten diese armen Menschen auch so sehr aus dem Gleichgewicht. Ihr Selbst wurde mehr und mehr ausgelöscht, ihr Bewusstsein mit Rauschgiften zerstört. Diese Drogenabhängigen, die Kaputten und Zerbrochenen waren leicht zu finden. Begreifen Sie denn nicht? Sie alle waren verflucht.« Max seufzte. »Wir wurden alle benutzt. In London, in Frankreich und in Amerika. Wir wurden verseucht mit dem, was sie mit ihren Beschwörungen herunterholte. Und was erneut angerufen werden musste, von der Einzigen, die wusste, wie das ging. Katherine.«
»Aber Sie, Isis, Gabriel und Heron – warum wurden Sie in den Siebzigern nicht umgebracht?«
»Wir gehörten zu den am lockersten mit der europäischen Variante der Sekte Verbundenen, die am geringsten verseucht wurden. Wir vier verließen die Letzte Zusammenkunft bereits nach dem ersten Auftauchen von dem, was wir damals die ›Erscheinungen‹ nannten.«
»Aber Gabriel …«
»Gabriel blieb noch nicht mal ein Jahr in Frankreich dabei. Das, was nach dem Schisma passierte, hat er nicht mitbekommen. Ich glaube, unsere Verbindungen zum Kult waren in den Siebzigern einfach zu dünn und bald verkümmert, zumal sich ja sehr viele potenzielle Opfer in unmittelbarer Nähe von Katherine befanden. Aber Katherine wollte ihren Rachefeldzug natürlich vollenden, indem sie diejenigen ausmerzte, die sie einst verrieten. Alle, die nach 1975 noch am Leben waren. Wir sollten als Opfer dienen, die sie ihren Blutsfreunden darbieten wollte, nachdem sie sie erneut gerufen hatte.«
»Martha? Bridgette Clover?«
»Martha Lake und Bridgette
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