Der letzte Tag: Roman (German Edition)
Augenlid zitterte erst leicht und begann dann, heftig zu flattern. »Ja.«
»Sieht leider ganz danach aus.«
»Chet Regal ist der Sohn von Prissie?«
»Genau. Schwester Priscilla, die junge Mutter, die Katherine ermordete, kurz nachdem sie ihr das Kind weggenommen hatte, um an ihrer Stelle die Mutterrolle zu übernehmen. Und Chet Regal hat das ganze letzte Jahrzehnt in Katherines ehemaliger Residenz gewohnt. Seit er das Haus von den Leuten zurückbekam, die es nach Katherines Tod verwalteten. Sie erinnern sich vielleicht, dass nur vier der Sieben in der Nacht des Aufstiegs zu Tode kamen. Der Fünfte, Bruder Belial, wurde im Gefängnis getötet. Aber die anderen beiden, ihre absoluten Lieblinge, sind noch immer am Leben.«
»Zwei Angehörige der Sieben?«
»Im Vorfeld der Neugründung des Tempels im Jahr 1973 wurden zwei Frauen nach San Francisco geschickt. Die ergebenen Dienerinnen Schwester Gehenna und Schwester Bellona. Tatsächlich ging es darum, Pflegeeltern zu finden, die den ›sauberen Jungen‹ adoptieren sollten, wenn die Zeit reif war. Sie hatten Erfolg. Die Pflegeeltern sind schon lange tot. Ein Musikproduzent und seine labile Ehefrau, die Katherine in dem Prominenten-Irrenhaus von Hollywood verfallen waren. Vielleicht haben Sie ja mal von dem Ehemann gehört. Brett Pearson. Er hat die Mamas and Papas und die Beach Boys produziert. Seine Jacht wurde irgendwann im Jahr 1992 vor der Küste von Baja California aufgefunden. Es war niemand an Bord. Von ihm und seiner Frau fehlte jede Spur. Sie sehen, alle wurden eliminiert, wenn sie ihre
Aufgabe erfüllt hatten. Als Chet neunzehn Jahre alt war und bereit, die Erde in Besitz zu nehmen, kam er nach Hause zu seinen Beschützerinnen. Schwester Gehenna und Schwester Bellona nahmen den ›sauberen Jungen‹ wieder bei sich auf.«
Kyle schüttelte den Kopf. Er lächelte vor sich hin, ohne zu wissen, warum eigentlich.
»Vergessen Sie nicht, dass Chet in diesem Haus einen Teil seiner Kindheit verbrachte. Eigentlich dürfte er nicht viele Erinnerungen an seine Zeit in der Obhut von Katherine haben, aber ich glaube, er erinnert sich noch sehr genau an viele Dinge.«
Kyle drehte sich auf seinem Stuhl herum und sah Max an. »Was wollen Sie denn damit andeuten? Dass Chet … was denn … Katherines Vorbild nacheifert? Dass er ihr Erbe antreten will? Dass er diese … Dinger zurückgeholt hat?«
»Ich fürchte, es ist noch etwas schwerwiegender als das, mein Lieber. Chet Regal ist Schwester Katherine.«
Kyle hatte das Gefühl, das Gebäude würde sich um die eigene Achse drehen.
Eine ganze Weile war es still im Zimmer, dann verzog Kyle das Gesicht zu einem schiefen Grinsen: »Ach, kommen Sie, Max. Hauen Sie ab. Und nehmen Sie diese jämmerliche Verschwörungstheorie mit. Wären Sie bitte so nett?«
Max lächelte nicht. »Geld, Bewunderung, totale Herrschaft über alle, die ihr nahestanden, Zerstörung aller Gegner. Das reichte nicht aus. Sehen Sie, es genügte ihr auch nicht, für immer in Erinnerung zu bleiben. Sie wollte ewig leben, darum ging es ihr.«
Kyles ausgedörrte Kehle schmerzte.
»Ist das denn so schwer zu glauben? Nach allem, was wir gemeinsam herausgefunden haben, Kyle? Hat die Geschichte uns nicht gelehrt, dass selbstzerstörerische Paranoiker es darauf anlegen, wiedergeboren zu werden? Sie übergeben die Macht an ihre Kinder …«
»Nein.«
»Errichten Statuen, Gebäude, sogar Städte, die ihren Namen tragen.«
»Stopp! Hören Sie auf damit, Max.«
»In der Nacht des Aufstiegs hat Katherine den Jungen vollkommen in Besitz genommen.«
»Sind Sie taub? Offenbar. Es reicht jetzt, Max!«
»Beim zweiten Mal wollte sie ein Mann sein, also hat sie sich den schönsten Jungen aus dem Tempel ausgesucht, um seinen Körper zu übernehmen. Sie brachte den schönsten Mann, den berüchtigten Bruder Baal dazu, das hübscheste Mädchen zu vergewaltigen, das war Schwester Priscilla. Sie hat ihren eigenen Erben gezüchtet. Katherine selbst wäre dazu nicht in der Lage gewesen, sie ekelte sich viel zu sehr davor. Wahrscheinlich lag es daran, dass ihre Tätigkeit als Prostituierte ihr in dieser Hinsicht Schaden zugefügt hat. In der Anfangszeit hat sie einmal Bruder Heron gestanden, dass sie sich nur vorstellen könnte, im Sterben wahre Ekstase zu erleben. Aber die ganze Zeit über, als sie den Tempel führte, ob in Frankreich oder in Amerika, war sie damit beschäftigt, Männer und Frauen einander zuzuführen. Ist das so schwer
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