Der letzte Tag: Roman (German Edition)
dem nach allen Seiten schnappenden Gesicht. Kyle kam es vor, als würde etwas knackend zerbrechen, wie Kristalle, die beim Kontakt mit Wasser explodieren. Max griff nach einer Lampe, hob sie vorsichtig hoch und hielt sie über die Wanne, dann senkte er sie langsam.
Eine stinkende Wolke von schwarzem Dampf erhob sich, und sie schrien alle auf vor Abscheu. Ein ätzender Film legte sich auf ihre Augen, die zu tränen begannen. Das Kreischen klang so schrill, als zersplitterten Eisblöcke in ihren Ohren, dann schwächte es sich ab zu einem erschöpften Gurgeln, das zu einem Keuchen wurde, bevor es endlich wieder still in dem Raum wurde.
Die Gestalt verlor Form und Substanz. Es sah aus, als würde sie von den Schmutzspuren aufgesogen, die sie auf dem Boden und an den Wänden der Wanne hinterlassen hatte. Kyle schaute weg. Lehnte sich gegen die Tür. Als er wieder hinblickte, sah er nur noch eine wirre Ansammlung von Knochen und einen kahlen Schädel in einer Wanne, die so schmutzig aussah, als hätte jemand
ein Feuer darin entzündet. Angeekelt und heftig würgend taumelte er aus dem Badezimmer.
Hinter sich hörte er Jed sagen: »Du warst keine große Hilfe, Spielberg. Die sind nicht so leicht zu fangen. Du hättest das Biest wenigstens filmen können.«
»Sie haben die Glühbirnen rausgedreht?« Kyle sah sich um. Er war entsetzt. Jed schraubte die Birnen mit lässiger Geste in die Lampen am Kopfende der drei Betten. Die Deckenlampe hatte ebenfalls keine Birne. »Um sie anzulocken?« Er schüttelte ungläubig den Kopf. Max schien das alles nicht zu interessieren. Er setzte sich an den Tisch und studierte die Landkarte.
»Um aufzuklären. Das ist lebenswichtig vor einer Operation«, sagte Jed. Er schien sehr zufrieden mit sich selbst zu sein. »Angriff ist die beste Verteidigung. Schon mal davon gehört?«
Kyle war viel zu wütend, um etwas sagen zu können. Er schaute von einem zum anderen. Als er wieder sprechen konnte, merkte er, dass seine Stimme unangenehm schrill klang. »Haben Sie nicht mal dran gedacht, mich in diesen Plan einzuweihen? Oder war ich der Köder? Schlafend im Dunkeln und scheißahnungslos.«
»Sie wären sicherlich nicht einverstanden gewesen, und wir können nicht jedes Mal, wenn wir uns etwas Wichtiges vornehmen, vorher endlos darüber debattieren.« Max machte sich nicht mal die Mühe, ihn anzusehen.
»So ist es«, stimmte Jed zu.
»Warum bin ich hier, Max? Warum?«
»Das hab ich mich auch schon gefragt«, sagte Jed mit einem Grinsen im knallroten Gesicht. Kyle hätte dem Fettwanst am liebsten eins in die Fresse gegeben.
»Sie beide scheint meine Anwesenheit überhaupt nicht zu interessieren. Oder haben Sie etwas geplant, von dem ich noch nichts weiß? Soll ich bei der Aktion morgen geopfert werden?«
Max seufzte und rieb sich die Augen. Trotz der Anekdoten, die er gern erzählte, und des kumpelhaften Getues mit Jed war er völlig fertig. Im grellen Licht der Tageslichtlampen sah man deutlich, dass seine blässliche Haut um den Mund und am Hals schlaff war. Seine dünnen Arme hingen kraftlos herab, das maßgeschneiderte Hemd konnte seine erschöpfte Haltung nicht kaschieren. Seine zittrigen Hände spielten die ganze Zeit mit einem Fläschchen Schmerztabletten.
Max wird schon wissen, worauf es ankommt, hatte Kyle sich auf dem Weg nach Kalifornien immer wieder gesagt. Max musste wissen, was in dieser aussichtslosen Lage zu tun war. Aber nun packte ihn doch wieder die Angst. Immerhin war er hier in die Planung eines Mordes verstrickt. Zumindest würden das alle anderen Menschen auf der Welt so sehen. Bislang hatte er der Wahrheit nicht ins Auge blicken wollen. Erst am Morgen, so hatte er sich eingeredet, würde er sich all dem stellen, aber der Überfall durch dieses Ding im Badezimmer hatte alle drängenden Fragen aufgeworfen. Sie hatten die Absicht, jemanden zu töten. Sie wollten diesen todkranken Schauspieler umbringen. Max war einfach bloß geisteskrank, das konnte man jetzt deutlich sehen. Ein verrückter alter Tyrann. Wenn Max 1967 umgebracht worden wäre, dann würde all das hier nicht passieren. Wie wäre es damit, Herodot?
Wie war es nur möglich, dass er sich jetzt schon wieder hier befand? In Amerika, mit einer Kamera in einem Hotelzimmer mit jeder Menge Pistolen und zwei Männern, die er kaum kannte. Zwei schrägen Vögeln, mit denen er plante, in ein fremdes Haus einzudringen, um einen kranken Mann zu ermorden, in dessen Körper sich angeblich der Geist einer
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