Der letzte Tag: Roman (German Edition)
wirst mit deiner Kamera draufhalten und genau das tun, was Max dir sagt. Ende der Durchsage. Du musst nicht schießen. Aber wenn ich auch nur eine Sekunde lang das Gefühl habe, dass du mich oder Max oder die ganze Operation in Gefahr bringst, dann leg ich dich um und werde hinterher bestimmt keine schlaflose Nacht deswegen haben. Kapiert?«
Kyle sagte nichts.
Jeds Gesicht näherte sich. »Ob du das kapiert hast?«
»Leck mich«, brachte Kyle undeutlich ächzend hervor.
Der neue Schmerz an der Stelle, wo Jeds Daumen in seine Handfläche drückte, ließ ihn ein paar Sekunden ohnmächtig werden. Als er wieder zu sich kam, drückte Jed ihn immer noch auf das Bett. Beinahe musste er sich übergeben. Max meldete sich, er klang jetzt entschiedener: »Genug jetzt, Jed! Er hat es verstanden. Lass das jetzt, bitte.«
Der Druck auf Kyles Brustkorb und an seiner Hand ließ nach, aber nicht der auf seinem Gesicht. Jeds Finger rochen nach dem Ding, das sie in der Badewanne verbrannt hatten.
Max trat ans Bett. »Jed. Die haben seinen Freund geholt. Er hat mehr erlebt, als die meisten Menschen ertragen können. Wir sind alle müde. Aufgerieben. Wir müssen zur Ruhe kommen. Es geht nur, wenn wir einander vertrauen. Anders funktioniert es nicht. Also bitte, hört auf, euch zu zanken.«
Zu zanken?
Jed stand auf und ging vom Bett weg. Grinste Kyle an. »Das musste einfach mal gesagt werden, Max. Hab ich nicht recht, Spielberg?«
Kyle hielt dem Blick dieses Großmauls stand. Sein Bauch schmerzte. Er hatte Tränen in den Augen. Fühlte sich elend. So
sieht es also aus. Und in diesem Moment, als die Schmerzen nachließen, wurde ihm eines plötzlich klar: Es war längst abgemachte Sache, dass er morgen nicht mehr aus diesem Haus rauskommen würde. Seine Rolle war von Anfang an festgelegt gewesen. Er war entbehrlich. Genau wie Dan und Gabriel. Sie waren alle entbehrlich gewesen, wenn nur der gute alte Max überlebte. Hatte Jed vielleicht sogar Instruktionen bekommen, ihn auszuschalten, wenn Chet erst mal tot war? Wenn alle Verbindungen zwischen den Blutsfreunden und dieser Welt endlich gekappt waren? Oder war er der Köder, der wie ein Stück Fleisch den hungrigen Löwen vorgeworfen wurde? Bei dem Gedanken hätte er am liebsten die strahlend weiße Bettdecke vollgekotzt.
Max sah ihn beunruhigt an. Er schien Kyles Gedanken zu lesen. »Mein lieber Freund, wir müssen auch die letzte Szene unbedingt filmen. Kameras lügen nicht. Das wissen Sie besser als alle anderen. Wie sonst sollen wir unser Vorgehen rechtfertigen? Mord wird in Kalifornien mit dem Tod bestraft. Wenn wir auf der Flucht verhaftet werden, müssen wir in der Lage sein, die Notwendigkeit unserer Taten zu begründen, wir müssen Beweise liefern. Sie sollten sich also, bevor wir das Hotel in einigen Stunden verlassen, mit Ihrer Ausrüstung vertraut machen und sichergehen, dass Sie genügend Strom zur Verfügung haben. Ohne den armen Dan, fürchte ich, sind wir in dieser Hinsicht voll und ganz auf Sie angewiesen.«
Jed hielt Kyle ein Glas mit Johnnie Walker Red Label hin und zwinkerte ihm zu. »Ich lass dich nicht aus den Augen, Spielberg. Die ganze Zeit.«
Kyle nahm das Glas mit seiner heilen Hand entgegen. Kippte den Whisky runter und hatte das Gefühl, mit diesem Schluck auch den letzten Rest seines freien Willens eliminiert zu haben.
Fünf Uhr morgens. Kyle saß auf dem Deckel der Toilette, das Gesicht in den Händen vergraben. Die Badezimmertür war verschlossen.
Von der Badewanne her drang der Gestank dieses verbrannten Dings zu ihm herüber. Der größte Teil der Knochen war zerbrochen und hatte eine Staubschicht in der zerkratzten Wanne hinterlassen. Er konnte kaum atmen, aber nicht wegen des Gestanks. Er war von Panik erfüllt, sein Brustkorb war wie eingeschnürt. Draußen im Zimmer sprachen Max und Jed miteinander. Sie saßen am Tisch und beugten sich über die Pläne und Fotos vom Einsatzort und der näheren Umgebung.
Kyle malte sich aus, wie er unvermittelt aus dem Hotel flüchtete. Jed würde ihn wohl kaum auf offener Straße erschießen. Aber er würde dich verfolgen und eine günstige Gelegenheit abwarten. Der Mann war ein Spinner und bewaffnet noch dazu. Sein Daumen pochte schmerzhaft. Nach diesem Einzelkämpfertrick, den Jed bei ihm angewandt hatte, wusste Kyle, dass er ihm von nun an immer gehorchen würde, und er hasste sich dafür. Er durfte überhaupt nicht mehr mitreden. Max würde jede Aktion für gut befinden, die ihm half, sein Leben zu
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