Der letzte Tag: Roman (German Edition)
weiter.
Deshalb habe ich die Letzte Zusammenkunft gegründet. Um einen kleinen Kreis von Menschen zusammenzubringen, die in Anstand, Demut und Würde miteinander leben. Aber seht euch an, was daraus geworden ist. Wir wurden von einer Psychopathin übernommen, die sich nicht gescheut hätte, die Rolle eines Hitler oder Stalin zu spielen, wenn sich die Möglichkeit ergeben hätte. Wir sind hier, meine lieben Freunde, um einen sehr schweren Fehler zu korrigieren, den ich im Jahr 1967 gemacht habe.«
Max stand auf und ging zu seinem Bett. Setzte sich darauf und ließ den Oberkörper nach hinten fallen. Ein so lässiges Verhalten schien für ihn als Chef der Operation eigentlich nicht angebracht. Seine dünnen Beine hingen über dem Boden. Man konnte seine Socken sehen, die eine war rot, die andere braun. »Ich bin ein alter Hippie. Ich habe an Liebe und Frieden geglaubt. Daran, dass man alles fair teilen und sich um seinen Nächsten kümmern soll. Ich war ein junger Narr, und jetzt bin ich ein alter Narr. Ich habe tatsächlich einmal geglaubt, die Letzte Zusammenkunft sei ein Hort der Hoffnung. Das Vorbild für ein besseres menschliches Zusammenleben. Wir wollten uns selbst und die anderen verstehen.«
»Darauf ist es dann aber gar nicht hinausgelaufen«, sagte Jed lächelnd.
Max seufzte. »Stattdessen haben wir einen Teufel verehrt. Und diesen Teufel gebeten, uns zu führen. Uns zu missbrauchen und gegeneinander aufzubringen. Uns zu misstrauen und unserem Leben zu entfremden. Wir haben ihm erlaubt, uns Freiheit, Würde und sogar das Leben zu nehmen, nur um ihm dienen zu dürfen.«
»Wir machen alle mal Fehler, Max. Aber das war wirklich ein großer. Wenn auch nicht so groß wie der von Molotow im Jahr 1941.« Jed lachte, bis er einen roten Kopf bekam und keuchend nach Luft schnappte. Anscheinend war er ziemlich betrunken.
Max fuhr fort, als spräche er nur zu sich selbst. »In London hätte ich sie stoppen können. Es waren ja genug da, die sahen, was falschlief. Aber wir taten nichts, sondern hofften nur das Beste. Unsere vergebliche Hoffnung ist das, was sie antreibt.« Max legte eine Hand über sein Gesicht.
»He, Max«, sagte Jed. »Trink einen Schluck Jack Daniel’s.«
»Vielleicht sollte ich das tun.« Max richtete sich auf und nahm mit einer graziösen Bewegung die Whiskyflasche, die Jed ihm hinhielt.
Jed grinste Kyle an. »So, Max, wir haben es also mit einem beschissenen Hitler oder Stalin zu tun. Einer von beiden jedenfalls. Und wir haben keinen Bock drauf, dass so einer noch länger unter uns weilt, richtig, Spielberg?«
Max verzog das Gesicht, als der Whisky ihm in der Kehle brannte. »Einer von beiden. Genau. Und das würde ich auf viele unserer Wirtschaftsführer ausweiten. Schaut euch nur mal diese grandiosen Strategen im ökonomischen Bereich an, heute, im materialistischsten Zeitalter, das wir je hatten. Wie vielen von denen sollte man ernsthaft Verantwortung übertragen oder gar das Schicksal anderer Menschen anvertrauen?«
»Darauf kannst du einen lassen«, sagte Jed, bevor er einen weiteren
großen Schluck von seinem Whisky nahm. »Ich würde liebend gern ein paar von meinen ehemaligen Chefs aus dem Verkehr ziehen. Aber irgendwie kriegen die immer wieder die Kurve.«
»Alles nur PR.«
Ohne es zu wollen, musste Kyle lächeln. Jed grinste ihn an.
»Diesen Sermon beten sie uns schon vor, seit wir aus dem Urschlamm gekrochen sind, Jed. Dass wir ohne sie nicht klarkommen. Dass sie was Besonderes sind. Die geborenen Führer, und dass wir uns auf ihre Führungsqualitäten verlassen können. Wir sollen uns von ihnen führen lassen, sonst gehen sie woandershin. Sollen sie doch gehen, würde ich sagen.«
»Ich fahre sie höchstpersönlich zum Flughafen, Max. Darauf kannst du Gift nehmen!«
Max kicherte vor sich hin. »Damit hast du etwas vorweggenommen, das mir auf der Zunge lag, Jed. Ich glaube fest daran, dass diese hinterlistige Gier, die in der Geschäftswelt vorherrscht, denselben Ursprung hat wie der Machthunger der Tyrannen. Verschiedene Welten, verschiedene Mittel, gleiche Intentionen. Ermächtigung, Bereicherung, Eigennutz auf Kosten von allen anderen. Ihre Stärke ist die Unterdrückung von Erkenntnisfähigkeit. Aber kann es überhaupt einen anderen Weg geben? Das ist die entscheidende Frage. Ich würde …«
Ungefähr zu diesem Zeitpunkt steckte Kyle sich die Stöpsel ins Ohr, die er auf dem Flug bekommen hatte, und schlief ein.
Er erwachte im Dunkeln von seinem eigenen
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