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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Stiftung an Katherine ausgezahlt. Ich hörte auch davon, dass die Anwälte von Schwester Hannah in regem Briefwechsel mit Katherine standen. Alles lief allmählich schief. Ging völlig daneben. Und erregte genau die falsche Art von Aufmerksamkeit. Besonders nach den Vorfällen um Charles Manson in Kalifornien. Aber ich würde trotzdem sagen, dass die Mehrheit der Mitglieder einfach hinnahm, was in der Zeitung stand. Sie waren viel zu sehr von ihr eingenommen. Sie beteten sie an. Daran konnte nichts und niemand etwas ändern. Sogar ich gab der Zusammenkunft eine neue Chance, obwohl meine Intuition mir riet, es nicht zu tun.«
    »Was geschah, nachdem Sie die Zeitungen hier verteilt hatten? Wurden Sie bestraft?«
    »Nein, stattdessen hat Katherine mir ein Geschenk gemacht. Ohrringe mit Perlen dran. Dabei war uns Schmuck streng verboten. Ich verstand das nicht. Wie sollte ich auch? Aber dann …
kam etwas anderes hinzu im kommenden Winter. Wir nannten es den heiligen Schrecken. Und das war dann wirklich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.«
    Kyle war jetzt enorm angespannt. Das war genau das, was Max haben wollte. »Können Sie uns beschreiben, was es war, Susan? Wie sich das äußerte?«
    Sie nickte und schien sich erneut sehr unwohl zu fühlen und auch sehr müde. Tatsächlich kam es Kyle vor, als hätte er noch nie einen so kaputten Menschen vor sich gesehen. »Es war nicht nur so, dass die Art und Weise der Sitzungen sich unter dem Einfluss der Sieben änderte. Die ganze Atmosphäre wandelte sich. Alles wurde anders. Die Ideale der Gruppe veränderten sich. Ganz deutlich. So äußerte sich das.«
    »Wie denn genau?«
    »Es ging nicht mehr um Erkenntnis, so wie in den Tagen der Selbstaufgabe. Wir erforschten nicht mehr uns selbst. Es gab auch keine Gleichheit oder Ehrlichkeit mehr in der Gruppe. Jetzt wurde immer mehr Wert darauf gelegt, auserwählt zu sein. Wir glaubten immer fester daran, etwas Besonderes zu sein. Anders als die anderen. Und nun wurde uns eingeredet, wir seien mehr wert als die Menschen, die nicht zur Zusammenkunft gehörten. Wir wurden dazu gebracht, die anderen zu verachten. Dieser Hochmut wurde regelrecht kultiviert. Wir standen meilenweit über allem, was jenseits der Mauern dieses Hauses existierte. Und irgendwann brachte jemand das Wort ›barbarisch‹ auf, um alle außerhalb unseres kleinen Kreises zu beschreiben.
    Ich erinnere mich noch, dass uns gesagt wurde, alle Mittel seien erlaubt, wenn es der Zusammenkunft nutze. Wer im Dienst von Schwester Katherine stand, war frei von jeder Schuld. Wir sollten uns von allen Gewissensbissen und allem Mitleid befreien. Es ging nur noch darum, an uns selbst zu glauben. Wir sollten unsere ganze Kraft in den Dienst der Zusammenkunft stellen. ›Ermächtigung durch Bereicherung‹ war einer unserer neuen
Leitsprüche. Wir wurden dazu angehalten, andere Menschen zu manipulieren, und sollten das gegenseitig an uns erproben.
    Sex wurde mehr und mehr dazu benutzt, um die Männer unter Kontrolle zu bringen. Wenn die Sieben es anordneten, musste man mit einem Mann schlafen. Ich kann mich nicht erinnern, dass es ein besonderes Auswahlverfahren gab. Aber genau das war der springende Punkt. Wir sollten mit denen ins Bett gehen, die uns nicht gefielen. Wenn zwei sich ganz normal ineinander verliebten, was andauernd passierte, dann sorgten die Sieben dafür, dass das Paar getrennt wurde, indem sie der Frau befahlen, mit einem anderen Mann zu gehen. Nur zu Katherine durften wir eine emotionale Bindung aufbauen. Es kam mir so vor, als sollte nur das Schlechteste in uns gefördert werden, und ich hatte den Eindruck, dass die Hinterhältigsten von uns unter diesem neuen Regime am besten zurechtkamen.« Susan hielt inne und schaute zu Boden. Falls Kyle sich nicht völlig täuschte, war sie peinlich berührt. Er warf Dan einen Blick zu, der fragend eine Augenbraue hob. Aber Kyle schüttelte den Kopf und bedeutete ihm weiterzudrehen.
    »Sie trat nie in Erscheinung. Das ganze letzte Jahr über sprach sie nicht zu uns. Aber je weiter sie sich von uns entfernte, umso schlechter wurde ihr Benehmen.«
    Susan hob den Kopf und sah sehr müde aus. »Ja. Indem sie die Sieben als ihr Instrument benutzte, wurde sie immer despotischer. Wir bekamen Medaillons, gefüllt mit ›Mana‹. Das waren Haarlocken von ihr. Die mussten wir immer an einer Kette um den Hals tragen. Wie einen Talisman. Sie erzählten uns, es habe eine besondere Kraft. Geschenke von Katherine wurden

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