Der letzte Tag: Roman (German Edition)
Kopf. »Die Zusammenkunft war paranoid und viel zu sehr vergiftet von Missgunst und Eifersucht. Ich wollte da nicht mehr mitmachen. Für mich war das alles sinnlos geworden.«
»Hat irgendjemand sonst die Sekte verlassen, bevor sie nach Frankreich aufbrach?«
»Ein paar. Ungefähr zehn, glaube ich. Aber die Gruppenbildungen und die Rivalitäten ließen eine Weile nach. Die Ankunft der ›Erscheinungen‹ schien alles wieder besser zu machen. Jetzt hatten die Mitglieder das Gefühl, trotz allem Teil einer bedeutenden Sache zu sein. Dass es das alles wert gewesen sei, und dass die Zusammenkunft überleben würde. Außerdem wurde uns ein Foto gezeigt von dem Bauernhof, den Katherine vom Geld der Sekte gekauft hatte. Von unserem Geld. Es war der Ort, den wir in unserer Vision gesehen hatten. Kein Zweifel war möglich. Und das war wirklich wie ein Wunder. Viele von uns vergaben
Katherine alles, nachdem sie das gesehen hatten. Aber ich konnte das nicht. Genauso wie Max. Also gingen wir noch am gleichen Tag. Eine Woche vor der ersten Diaspora.«
»Entschuldigen Sie, haben Sie eben Max gesagt? Meinen Sie etwa unseren Max? Maximillian Solomon?«
Susan warf Kyle einen Blick zu und zuckte zusammen. »Bitte, sagen Sie ihm nicht, dass ich Ihnen davon erzählt habe. Aber es stimmt. Er war von Anfang an hier dabei.«
»Die war ganz schön durchgeknallt«, sagte Dan. Er kniete vor dem Laptop, wo er sich hingehockt hatte, als Kyle mit Susan nach draußen gegangen war, um ihr ein Taxi zu rufen. Dan war in dem Zimmer zurückgeblieben, das zur Straße zeigte, um die letzte SDHC-8-GB -Speicherkarte zu beschriften. Alle Hüllen mit den Speicherkarten waren genauso beschriftet wie früher die Videokassetten, mit Titel und Datum versehen. Die Informationen wurden außerdem in ein Notizbuch eingetragen, sodass sie genau vor Augen hatten, wie viel Material sich auf welcher Speicherkarte befand. Bei seinem ersten Film hatte er das versäumt und musste eine Menge Zeit darauf verschwenden, die einzelnen Aufnahmen zu katalogisieren. Nie wieder .
Und wenn er erst mal den Rohschnitt gemacht hatte, würde er das Material vom Laptop löschen, damit dort wieder genügend Speicherplatz für die nächsten Aufnahmen war. Finger Mouse hatte ausreichend Festplatten-Speicherplatz in seiner Wohnung in Südlondon, um das gesamte Rohmaterial einer zweistündigen Dokumentation aufzubewahren. Er würde zwei Sicherungskopien von den Masterschnitten anfertigen. Eine davon würde Kyle bekommen, die andere Dan, und Finger Mouse würde das Original behalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle drei Wohnungen in der gleichen Nacht abbrannten, war ziemlich gering. Sie waren alle drei keine Ordnungsfanatiker, aber was die Aufbewahrung des Filmmaterials betraf, hatten sie immer größten
Wert auf Verlässlichkeit gelegt. Das lag ganz einfach daran, dachte Kyle manchmal, dass nichts sonst in ihrem Leben wirklich zählte.
»Das kann man wohl sagen. Aber das wundert mich nicht. Nach allem, was sie durchgemacht hat. Das war ein großartiges Interview.« Er übertrieb nicht. Trotzdem war er gleichermaßen verwirrt wie enttäuscht. Max hatte nichts von seiner Verstrickung in diese Sekte erzählt, und das warf einen Schatten auf das ganze Projekt. Kyles Enttäuschung wurde noch verstärkt durch Susan Whites plötzlichen Drang, das Haus zu verlassen. »Wie spät ist es? Sieben! Ich will doch hier nicht die Nacht verbringen. Ich muss gehen. Ich bin müde.«
Die Erinnerungen an ihr Leben in diesem Haus an der Clarendon Road hatten sie erschöpft. Anzuhören, wie ihre anfängliche Begeisterung in Verzweiflung, Trauer und schließlich völlige Resignation umgeschlagen war, hatte Kyle ebenfalls fertiggemacht. Sie war Teil einer besonderen Sache gewesen, aber der Schaden, den sie davongetragen hatte, war offensichtlich immens.
»Ich dachte schon, wir müssten diese Aufnahme in den Wind schreiben«, sagte Dan. »So wie die hier aufgekreuzt ist als Mischung aus Barbara Cartland und Rummelplatz-Wahrsagerin und dann schon draußen zusammengeklappt ist. Aber sie war trotzdem super. Hat eine Menge Farbe in den Film gebracht. Nicht nur im übertragenen Sinn.«
Kyle setzte sich und lachte vor sich hin. Dann schaute er sich um. Diese schicke Wohnung würde bestimmt bald einem amerikanischen Finanzhai mit turbogebräunter Ehefrau gehören. »Und was hältst du davon?«
Dan schüttelte grinsend den Kopf. »Ziemlich unglaubwürdiges Zeug. Aber wenn das so weitergeht, kriegen wir
Weitere Kostenlose Bücher