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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Boden. »Jedes Mal, wenn wir eine Sitzung hatten. Und auch in den Zimmern, in denen wir schliefen. Ich würde sogar sagen, dass es dort noch schlimmer war.
    Uns wurde gesagt, diese ›Erscheinungen‹ seien gekommen, um den Auserwählten unter uns ihre Wünsche mitzuteilen. Und dass wir unsere Träume und Visionen analysieren sollten, um sie dann bei den Sitzungen zu erzählen.«
    »Was für Visionen sind das denn gewesen?«
    »Manche behaupteten, sie hätten plötzlich in das Innere eines anderen sehen können. Oder sie könnten sich selbst mit den Augen eines anderen sehen oder hätten sich mit einem Mal in einem anderen Raum befunden. Andere sagten, sie hätten Stimmen gehört, in sich drinnen oder auch hinter sich. Manche erzählten sogar, sie seien gereist.«
    »Gereist?«
    »Aus ihren Körpern heraus, während sie schliefen. Und sie taten alle so, als seien es heilige Erfahrungen gewesen. Aber ich konnte nicht glauben, dass da irgendwas Heiliges dabei war. Im Gegenteil. Mir kam das alles eher wie eine Heimsuchung vor.«
    »Hatten Sie auch solche Erlebnisse?«
    »Nein. Ich hörte nie irgendwelche Stimmen und bin auch nicht außerhalb meines Selbst gereist oder sah etwas durch die Augen eines anderen. Gar nichts in dieser Art. Ich habe an all das nicht geglaubt. Meiner Meinung nach dachten die anderen sich das nur aus, um den Sieben zu gefallen, oder um den Wahnvorstellungen von Katherine etwas hinzuzufügen, damit es so aussah, als ob sie sich in eine Göttin verwandelte und diese ganzen Geister um sich herum hätte, die sie irgendwohin führten. Viele waren bereit, einfach alles zu glauben oder wenigstens so zu tun, damit sie in ihrer Gunst standen. Darauf lief es dann ja auch hinaus.«
Susan machte eine Pause, um sich wieder zu fangen. »Das Einzige, was ich erlebt habe und bis heute nicht erklären kann, war eine gemeinsame Vision.«
    »Möchten Sie uns davon erzählen?« Kyle hörte, wie Dan hinter seinem Sucher vor sich hinkicherte, und warf ihm einen warnenden Blick zu.
    »Wir träumten alle vom gleichen Ort. Der Zuflucht. Dem neuen Tempel. Das sei es nämlich, wurde uns erklärt. Katherine hatte auch diesen Ort gesehen. Das berichteten die Sieben.«
    »Wie sah dieser Ort aus?«
    Susan schloss die Augen. »Es war dunkel. Aber ich erinnere mich an einige Gebäude aus Stein mit Holzdächern. Sie standen im Regen auf einem Feld mit hochgewachsenem Gras. Der Himmel darüber war eigenartig. Er war wellig. Auf eine unnormale Art. Als würde dort eine große Hitze herrschen, die von oben nach unten drängte. Oder als wäre der Himmel nicht wie üblich geformt. Aber das Merkwürdige war, dass alle Teilnehmer an dieser Sitzung das Gleiche sahen. Wir konnten es einander aber nicht irgendwie suggeriert haben. Manche riefen aus, dass sie Häuser sehen würden. Ein anderer sagte, er könne sie auch sehen und zählte sie. Und dann schrien andere dazwischen und beschrieben Einzelheiten und Formen, die wir alle vor unserem geistigen Auge sehen konnten. Jemand sagte, dass es ein verlassener Ort sei. Das stimmte. Man merkte es sofort. Eins der Gebäude war länglich und weiß mit vier hohen Türen. Ein anderes war ganz aus dunklem Holz wie eine Scheune. Beim dritten Haus fehlten die Dachziegel.
    Ich sagte nichts dazu, aber ich konnte jede Einzelheit vor mir sehen. Alles, was die Anwesenden einander lautstark beschrieben, sah ich vor meinem geistigen Auge, bevor jemand ein Wort gesagt hatte.«
    »Wie hat man das anschließend interpretiert?«
    »Dass wir an Katherines Vorahnung teilgenommen hatten. Dass
die Apokalypse bevorstand. Und dass der Ort, den wir in unserer Vision gesehen hatten, unsere Zuflucht war. Man sagte uns, alles würde genau darauf hinauslaufen. Die langen Sitzungen, die Selbstfindungsprozesse, das Ausmerzen unserer Egos. Die Glaubensprüfungen, unsere Hingabe an Katherine, all das würde nun Früchte tragen. Diejenigen, die jetzt noch in der Zusammenkunft übrig geblieben waren, seien die Auserwählten. Wir hätten eine Verbindung zu den ›Erscheinungen‹ aufgebaut. Und nun würde der Aufstieg beginnen.«
    »Aber Sie waren nicht davon überzeugt?«
    »Nein. Nicht im Geringsten. Aber diese Vision konnte ich mir dennoch nicht erklären. Vielleicht wurde sie uns ja schon viel früher eingeimpft. Ich weiß es nicht. Aber gleich nach dieser Nacht wurden Pläne für eine Umsiedlung nach Frankreich geschmiedet.«
    »Und Sie entschieden sich dann, nicht mit nach Frankreich zu gehen?«
    Susan schüttelte den

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