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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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die vergitterten Fenster in den Keller gedrungen war, war nun nicht mehr vorhanden. Aber ein leichter Schimmer vom Licht der Straßenlaternen kam immer noch durch. Darin konnte man die herumstehenden Kartons nur ganz schwach erkennen, ebenso die alten Möbel, die frühere Bewohner des Hauses stehen gelassen hatten. Aber mehr als ihre Umrisse war nicht auszumachen. Der Scheinwerfer auf Dans Kamera verströmte zusätzliches Licht, einen silbrigen Schimmer, der Kyle so weit beruhigte, dass er sich fast wieder ganz normal fühlte.
    »Das hab ich vorher nicht bemerkt«, sagte Kyle und drehte sich um die eigene Achse, um den Ursprung des eigenartigen Geruchs zu suchen. Er erinnerte ihn an Abwasser, es roch ziemlich durchdringend nach faulen Eiern oder Schwefel. Und nach Feuchtigkeit. Als wäre irgendwo Wasser eingedrungen und hätte ein Stück Stoff getränkt, einen Teppich vielleicht, der nun angegammelt war. Ihm fiel ein, was Susan White gesagt hatte. Er fühlte sich unwohl und musste sich zusammenreißen, damit dieses Gefühl nicht überhandnahm.
    »Ah, jetzt verstehe ich, was los ist«, sagte Dan. »Pass auf, wo du hintrittst.«
    Kyle starrte die Kartons an, aber es war viel zu dunkel, um erkennen zu können, ob da irgendwas auslief oder heraustropfte oder auseinanderbröselte. Möglich, dass da irgendein alter Müllsack herumlag, den ein früherer Hausbewohner hier deponiert und vergessen hatte.
    »Bingo«, sagte Dan.
    Kyle schaute zu der Stelle, auf die Dan den Scheinwerfer der Kamera gerichtet hatte, auf eine Wand hinter einem Durcheinander
aus Besen- und Wischmoppstielen, deren Schatten dünn und insektenartig auf den alten bröckelnden Mörtel geworfen wurden. »Was?«
    »Die Wand. Da kommt was durch. Siehst du?«
    Auf dem zerbröselnden Putz waren die Umrisse einer feuchten Stelle zu erkennen, so hoch und breit wie eine Tür. Der Fleck wurde von dicken braunen Adern durchzogen, die nass glänzten. Als Kyle es sich ansah, schien sich der unangenehme Geruch direkt vor seinem Gesicht noch zu verstärken. »Ich werde Max mal sagen, dass er die Maklerfirma anrufen soll. Da ist ein Rohr undicht. Das war vorhin noch nicht da. Sonst hätte man das heute Nachmittag auch schon riechen können.«
    Dan richtete den Lichtkegel woanders hin. »Lass uns mal anfangen.«
    »Okay. Aber fang besser hier an. Bei der Treppe. Da ist auch ein Luftziegel. Ich hock mich davor, dann kriege ich wenigstens ein bisschen frische Luft ab. Mach einen Schwenk von hier zum Fenster. Versuch einfach, alles draufzukriegen. Wir können dieses gruselige Fenster ganz gut gebrauchen, um die Anfänge zu erläutern.«
    »Geht klar.« Dan ging hinüber und stellte die Kamera auf das Stativ, richtete zwei kleine Lampen ein und schrieb mit Kreide auf die Klappe: Szene 6, London, Keller, Innen, Nacht. Kyle schaute in das Skript, um sich seinen Text zu den Ursprüngen der Sekte noch mal zu vergegenwärtigen.
    »Fertig?«
    »Los geht’s.« Kyle räusperte sich und sprach im Off in das Mikrofon, das er an der Brust befestigt hatte.
    Dan schlug die Klappe und trat dann hinter die Kamera.
    »Es dürfte nicht überraschen, dass nach einem Jahr des verordneten Zölibats, als Schwester Katherine 1969 damit begonnen hatte, Mitglieder ihrer Zusammenkunft zu Paaren zusammenzuführen und diesen in gewissem Rahmen sexuelle Beziehungen
zu gestatten, diese Vereinigungen Früchte trugen. Obwohl die meisten Kinder, die in dieser Sekte zur Welt kamen, auf dem Bauernhof in der Normandie und später in der Wüste von Arizona gezeugt wurden, wurden mindestens vier Kinder in der Londoner Zentrale geboren, und zwar kurz vor dem Aufbruch der Sekte nach Frankreich. Die Babys wurden hier unten versorgt. Der Kontakt der Mütter zu den Kindern war streng reglementiert. Katherine hatte ihren Anhängern verordnet, dass die Kinder der Sektenmitglieder von der ganzen Gemeinschaft erzogen wurden. Sie sollten gar nicht erst in eine Abhängigkeit von ihren natürlichen Eltern geraten. Sich um die Kinder kümmern zu müssen, wurde als eine Art Strafe angesehen …«
    »Scheiße«, sagte Dan und sah zur Decke.
    »Ich hab’s auch gehört«, flüsterte Kyle.
    Und da war es wieder. Etwas schlug gegen eine Tür, irgendwo über ihnen im Haus. Ferne, unregelmäßige, gedämpfte Geräusche wie von schlurfenden Füßen gesellten sich dazu.
    »Da ist eindeutig jemand im Haus«, flüsterte Dan aufgeregt. »Du hast also doch die Tür aufgelassen.«
    »Hab ich nicht. Ich hab sie zugemacht. Das weiß ich

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