Der letzte Tag: Roman (German Edition)
Aufnahmen ansiehst, wird dir bestimmt schlecht.«
Vor sich hin kichernd taumelten sie ins Haus. Sie waren angetrunken, es war dunkel und sie fanden sich nur schwer zurecht. Da es keine Vorhänge gab, fiel das blasse Licht der Straßenlaternen herein, hatte allerdings keinen großen Effekt.
Kyle suchte in der Eingangshalle nach dem Lichtschalter und drückte drauf. Es blieb dunkel. »Mist.«
»Soll das ein Witz sein?«, sagte Dan.
Kyle schüttelte den Kopf und lief mit lauten Schritten die Eingangshalle entlang. Er betätigte den Schalter in einem der vorderen Zimmer. Kein Licht. »Die Sicherungen sind wahrscheinlich raus. Wie viele Akkus hast du noch?«
»Drei sind übrig. Das reicht, jedenfalls wenn du es ein bisschen künstlerischer haben willst. Mit vielen Schatten. Oder …«
Kyle kam zurück in die Halle, wo die breiten Umrisse von Dans Körper den größten Teil des Lichts abblockten, das durch das Fenster über der Eingangstür hereinfiel. »Oder?«
»Nachtaufnahmen. Mit langsamer Verschlusszeit. Dann kriegen wir so was hin wie bei Blair Witch Project .«
Kyle lehnte sich gegen die Wand und legte die Hände auf einen Heizkörper, als wollte er sich wärmen. »Keine schlechte Idee. Die Aufnahmen von Susan haben wir bei Tageslicht gemacht. Mein Kommentar könnte dann über die dunklen Innenaufnahmen laufen. Ich hatte sowieso vor, ein paar Nachtaufnahmen einzubauen, sonst wird’s ein bisschen eintönig.«
»Super. Wo fangen wir an?«
»Im Keller. Wir können das Zeug da unten als Requisite benutzen. Du weißt schon, es soll alles ganz leer wirken, aber überall lauert die Vergangenheit. Ein bisschen gruselig darf’s auch sein, das kriegen wir mit den Lampen hin, und dann machen wir ein paar Nachtaufnahmen. Eine Kamera kommt aufs Stativ. Und dann noch ein bisschen Steadicam.«
»Klingt gut. Dann hilf mir mal mit dem Krempel.«
Sie stiegen nach oben ins Penthouse, um die Ausrüstung zu holen. Als sie tiefer ins Gebäude vordrangen, wurde das Licht der Straßenlaternen immer schwächer, bis es so dunkel war, dass sie sich vorwärtstasten mussten, um in den Raum zu gelangen, wo sie ihre Sachen abgelegt hatten. Dan legte neue Akkus in die beiden Kameras und überprüfte den Scheinwerfer auf der ersten Kamera. Als das Licht aufstrahlte, war Kyle peinlicherweise sehr erleichtert. Ein kleiner runder Schein ging von der Lampe oberhalb des Objektivs aus, und um den mondartigen Kreis aus hellem Licht formte sich ein weiterer Kreis, der etwas blasser war. Wenn das Licht auf irgendwelche Gegenstände fiel, schimmerten sie auf: Türklinken aus Messing, die glänzende frische Farbe der Türrahmen. Jenseits des Lichtkreises lag alles in vagem Zwielicht, die Wände und der Fußboden, oder in vollkommener Dunkelheit.
Auf der Treppe zum Erdgeschoss blieb Dan plötzlich stehen. Kyle taumelte gegen seinen Rücken, und Dan rutschte zwei Stufen die Treppe hinab. »Blödmann!«
»Warum bleibst du denn stehen?«
»Pst.« Dan drehte den Kopf und schaute hinunter zum Ende der Treppe. »Hast du nicht die Haustür zugemacht, nachdem wir reinkamen?«
»Doch. Ich hab sie abgeschlossen.«
»Hör mal.« Dan hob eine Hand.
Kyle spitzte die Ohren. Die leeren Räume des großen finsteren Gebäudes schienen ganz leise vor sich hin zu summen. »Was denn?«, fragte er.
»Ich dachte, ich hätte was gehört. Da unten.«
Kyle grinste. »Jetzt fang bloß nicht mit so einem Scheiß an.«
»Nein, ernsthaft. Ich hab Schritte gehört.«
»Vielleicht im Haus nebenan?«
Dan senkte die Hand. »Kann auch sein. Nein, du hast natürlich recht. Ich dachte nur, es könnte uns vielleicht ein Penner gefolgt sein.«
»Geh weiter.«
Als sie wieder im Erdgeschoss waren, schloss Kyle die Kellertür auf. »Du gehst vor«, sagte er zu Dan.
»Wieso?«
»Weil du das verdammte Licht an deiner Kamera hast. Ich will doch nicht kopfüber die Kellertreppe runterfliegen.«
»Ist ja schon gut.«
Kyle folgte Dans breitem Rücken ganz vorsichtig nach unten und wünschte sich dabei, er hätte nicht so viel Franziskaner Weißbier getrunken. Aber als er unten auf dem Treppenabsatz angekommen war, blieb er abrupt stehen. »Dan?«
»Was?«
Kyle hob den Kopf und schnüffelte laut. »Riechst du das?«
»Was?«
»Lass mich mal vorbei.« Kyle ging weiter in den Keller hinein. Dan stöhnte unter dem Gewicht der Kamera und der Ausrüstung, während er ihm folgte.
Dan schnüffelte ebenfalls. Und zuckte mit den Schultern.
Das schwache Licht, das am Tag durch
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