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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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davon zu lesen gewesen. Und weder Susan White noch Bruder Gabriel hatten in ihren schaurigen Erzählungen etwas erwähnt, das ihn darauf vorbereitet hätte, was er unter der modrigen Bettdecke vorfand. Während der uralte Stoff, den er eben hochgehoben hatte, wie eine Ansammlung loser Fäden unter seinen Händen langsam zerfiel, fiel sein Blick in das Loch, dass er eben freigelegt hatte, und er sah dort eine hässliche Ansammlung von schwarzen und gelblichen Leibern, die feucht schimmerten und in ihrem eigenen Schleim herumzuckten.
    »O Gott!«
    Kyle richtete die Kamera darauf. »Das ist unglaublich. Ich kann einfach nicht glauben, was ich da sehe. Das sind … Schlangen … glaube ich … und es stinkt einfach grauenhaft.« Aber bevor er mit seinem Kommentar fortfahren konnte, verlosch das Licht im Zimmer mit einem Mal, und seine Sicht trübte sich, als wäre ein großer Vorhang vor das einzige Fenster gezogen worden. Voller Panik starrte er zu der Stelle, wo das Licht eben noch hergekommen war, und bemerkte ganz kurz die Umrisse einer dünnen,
verbrannt wirkenden Gestalt unterhalb der gemauerten Fensteröffnung.
    Plötzlich breitete sich in rasender Geschwindigkeit im ganzen Zimmer Verwesungsgeruch aus. Und vor seinem geistigen Auge erschien überdeutlich das Bild eines Schwarms toter Vögel, deren staubige Flügel über vertrockneten Körpern ausgebreitet lagen, am Rande eines Tümpels mit stinkendem Wasser, auf dessen Oberfläche etwas Grünliches schwamm. Am Ufer stand eine undeutliche Gestalt in schäbigen Kleidern, hob den Kopf und blickte ihn an.
    Kyle stieß einen erbärmlichen Schrei aus, wie ein verängstigtes einsames Kind, duckte sich und ließ die Kamera aufs Bett fallen. Er schlug die Hände vors Gesicht, als wollte er damit die Vision von diesem Wesen und dem grässlichen Wasser wegwischen, die noch verstärkt wurde von den Umrissen einer knochigen Gestalt, die vor ihm in die Wand eingebrannt schien.
    Am Boden zusammengekauert, wandte er sich vom Fenster ab. Er wollte diese schauderhafte Halluzination wieder loswerden, genauso wie alles andere, das er in diesem Schlafzimmer entdeckt hatte, alles … Er traute sich nicht mehr, hinter sich zu sehen. Er schloss die Augen, um zu überprüfen, ob die Vision verschwunden war. Sie war weg. Er war völlig benommen und desorientiert von dem Gestank, dem Bett …
    Unten im Erdgeschoss fiel eine Tür zu. Die, durch die er eingetreten war.
    »Verdammt! Dan! Bist du das?«
    Es kam keine Antwort. Ihm fiel die dünne Gestalt wieder ein, die in der Clarendon Road durch die Dunkelheit gehuscht war.
    »Dan!« Und leiser, in bittendem Ton: »Dan? Bist du das, Kumpel?«
    Kyle blieb auf dem Boden hocken, nach vorn gebeugt, ein Mann, reduziert auf ein Häufchen Elend, zitternd, mit feuchten starren Augen, die über das stinkende Bett hinweg zur Tür
schauten. Die Tür führte zur Treppe. Die Treppe führte nach unten. Im Erdgeschoss war es jetzt dämmrig, alles war nur noch undeutlich zu erkennen, nachdem die Tür zugeschlagen war. Zugefallen hinter jemandem, der hereingekommen war.
    Von unten her hörte er Geräusche, die denen in Schwester Katherines leerem Penthouse in London nicht unähnlich waren: das unregelmäßige Scharren von Füßen. Ein dumpfer Schlag und das Schlurfen über schmutzigen Boden, als ertasteten ungelenke Füße sich ihren Weg durch die Dunkelheit. Auf der Suche nach etwas oder jemandem.
     
    Als Kyle aus der Fermette von Schwester Katherine trat, war sein Mund krampfartig zusammengekniffen, seine Augen weit aufgerissen, das Gesicht blutleer. Er konnte kaum seine Beine spüren, erst recht nicht die Kamera und die Ausrüstung, die er in den zitternden Händen hielt.
    Gelähmt vor Angst hatte er zwanzig Minuten lang gewartet, nachdem die Geräusche des Eindringlings im Erdgeschoss abrupt aufgehört hatten. Aber die plötzliche Stille beschwor nur ein anderes schreckliches Bild in seinem Kopf, das von einer kleinen dünnen Gestalt, die am Fuß der Treppe stand, hinaufschaute und darauf wartete, dass er herunterkam.
    Sein Herzschlag stockte, aber schließlich traute er sich doch aus dem Raum, verließ das Schlafzimmer, um nach unten zu steigen, nachdem er entschieden hatte, dass er es keinen Augenblick länger aushielt neben diesem stinkenden Bett, in dem es weiter zuckte, weil die Bewohner noch immer hin und her krochen. Da war es doch besser, er ließ sich auf eine Konfrontation mit dem Besucher im düsteren Untergeschoss ein.
    Aber er war ganz

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