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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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allein in der Fermette. Er konnte es sich nicht erklären, aber alles wirkte, als sei er der Einzige gewesen, der das Haus betreten hatte. Dabei war er sich völlig sicher, dass außer ihm noch jemand eingedrungen war. Er hatte doch Schritte gehört,
oder nicht? Das Mikrofon musste sie aufgenommen haben, in den Pausen zwischen seinem Gewimmer. Er würde das später kontrollieren. Vielleicht war die Haustür ja von einem Windstoß zugeschlagen worden, ein Wind, von dem jetzt aber kein Hauch mehr übrig war.
    Er taumelte durch das hohe Gras zurück zum Gehöft. Noch immer war keine Spur von Dan oder Gabriel zu sehen. Er rief nach ihnen, aber es klang kläglich. Als er keine Antwort bekam, suchte er nach den Taschen mit der Ausrüstung und fand sie vor dem Eingang zum Tempel. Er wagte nicht, durch die Türöffnung hineinzublicken, sondern beeilte sich, die Taschen über den Hof zur Wiese zu schleppen. Währenddessen plapperte er unausgesetzt leise vor sich hin, und dann packte er die erste Ladung der Ausrüstung und begann, die Wiese zu durchqueren, auf das Wäldchen zu.
    Als er wieder im dürren Gestrüpp zwischen den Bäumen ankam und die zweite Ladung Gepäck dort absetzte, bemerkte er ein Stück weit entfernt eine Gestalt, die sich mit gesenktem Kopf unter dem dämmrigen Himmel näherte. Aus der Richtung, wo sie ihren Wagen an der Straße geparkt hatten.
    Einen Moment lang war Kyle viel zu verschreckt, um sich zu bewegen oder auch nur zu atmen. Er war zu nichts anderem fähig, als vor sich hinzustarren, als wäre er festgenagelt an diesem Ort, auf halbem Weg zwischen dem grauenhaften Bauernhof und der sich kaum bewegenden Gestalt dort drüben. Am liebsten hätte er laut aufgeschrien. Aber dann stellte er fest, dass es Dan war, der durch die Wiese näher kam. Aber irgendwas stimmte nicht. Dan ging unglaublich langsam, schien fast gar nicht voranzukommen. Er hob den Kopf nicht, starrte die ganze Zeit zu Boden, als würde er den Untergrund genau untersuchen.
    »Dan! Dan!«
    Noch immer weit entfernt, hob sein Freund den Kopf. Blieb stehen. Dann rief er Kyle etwas zu, was das kalte Blut in seinen
Adern noch langsamer fließen ließ. »Nicht bewegen! Bleib da stehen! Da sind überall Fallen!« Es klang, als würde er weinen oder versuchen, es zu vermeiden. »Gabriel ist in eine verdammte Falle getreten!«

Caen, Normandie
16. Juni 2011, 2 Uhr
     
    Als Kyle aus dem Badezimmer kam, ein Handtuch um die Hüften geschlungen, war die Flasche Sailor-Jerry-Rum schon halb leer. Dan saß, ebenfalls in ein Handtuch gewickelt, im Schneidersitz auf dem Fußboden, in der Hand einen Becher mit Kaffee. Er schaute sich das Material an, das Kyle im ehemaligen Tempel aufgenommen hatte. Kyle hörte seine eigene dünne Stimme aus den Lautsprechern des Laptops: »Ich weiß nicht genau, was ich hier vor mir sehe. Aber ich befinde mich hier im Innern des Tempels der Letzten Zusammenkunft. Das Bild ist an der Wand. Es sieht aus wie eine Gestalt …«
    In einer Ecke des Zimmers stand eine Plastiktüte aus dem Supermarkt, vollgestopft mit blutigen Kleidungsstücken. Es wirkte, als wäre diese Tüte irgendwie geächtet, denn sie stand ein wenig abseits, in dem einzigen Bereich des Zimmers, der nicht von ihrer Ausrüstung und dem Krempel, den sie aus ihren Rucksäcken geschüttet hatten, in Beschlag genommen wurde.
    Kyle setzte sich auf das Fußende des Bettes und strich sich mit der Hand übers Gesicht. »Mein Gott.«
    »Ganz schön verwackelt. Und ziemlich dunkel.«
    »Wundert dich das?«
    »Ein bisschen was davon können wir bestimmt gebrauchen.«
    Kyle wusste, dass Dan die Aufnahmen nur ansah, um sich mit irgendwelchen technischen Details abzulenken und nicht über das nachdenken zu müssen, was ihnen an diesem Tage, dem schlimmsten ihres Lebens, widerfahren war. Seit sie in das Hotel in Caen zurückgekehrt waren, hatten sie es noch nicht geschafft, miteinander zu reden. Schon gar nicht waren sie fähig, über das zu diskutieren, was ihnen in den letzten fünf Stunden zugestoßen war.
    »Tut mir leid, Kumpel«, sagte Kyle. »Ich hab dich nicht gehört. Als wir auf diesem Hof waren. Wenn ich dich gehört hätte, wäre ich sofort gekommen. Das muss ja ewig gedauert haben.«
    »Über eine Stunde. Ich hab versucht, sein Bein da rauszukriegen. Und habe gebrüllt, bis ich total heiser war. Er hätte verbluten können.«
    Als Kyle mit Dan auf der Wiese zusammengetroffen war, hatte er als Allererstes seine Arme bemerkt. Sie waren bis zu den Ellbogen

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