Der letzte Tag: Roman (German Edition)
feucht gewesen und hatten ausgesehen, als hätte er Weintrauben gepresst.
Dan lehnte sich zurück und rieb sich die Augen. »Ich hab die verdammte Falle nicht aufgekriegt. Sein Bein hing drin. Mir wird immer noch schlecht, wenn ich daran denke. Vor allem dieses Geräusch, als es passierte. Der Klang dieser Falle, als sie zuschnappte, das hat mir echt den Rest gegeben. Mir läuft’s immer noch kalt den Rücken runter. Dieser Ton geht mir nicht aus dem Kopf.«
Kyle nickte. Die Ereignisse des Abends schossen immer wieder wie eine Reihe von willkürlich zusammengeschnittenen Bildern durch seinen Kopf, und ihm wurde immer wieder schlecht, wenn sein Gehirn die Szenen aufs Neue abspulte. Der Rum, die Hälfte der Pizza, die heiße Dusche und die halbwegs angenehme Umgebung des Hotels hatten nicht geholfen, den Schock, der ihm noch immer in den Knochen saß, länger als ein paar Minuten abzumildern.
Kyle starrte auf seine nackten Beine. Sah erneut, wie er unbeholfen über das Feld auf Dan zulief, mit dem Stock auf die Erde klopfte, um die Gefahr unter dem Gras rechtzeitig aufzuspüren. Fühlte noch immer den Schrecken, als ihm klar wurde, dass garantiert noch viel mehr Fallen in dieser Wiese versteckt waren. Sah Dans verschrecktes, aschfahles Gesicht vor sich, inmitten der hereinbrechenden Dunkelheit, seine Augen, die sich auf ihn richteten, als er näher kam. Er hatte ihn noch nie weinen gesehen. Dans blutbesudelte Hände, im Hintergrund die feurige Linie des Horizonts, das ferne Meckern einer Ziege, die sie nie zu Gesicht bekamen.
Und dann die kleine, zusammengekauerte Gestalt von Bruder Gabriel, der im hohen Gras hockte, seine schrecklichen, feucht durchtränkten Hosen, die dunkel von Blut an seinen dünnen Beinen klebten, das grässliche Scheppern der Falle im Gras. Der gebrechliche Körper, den sie hochhoben, das kalkweiße Gesicht, der dünne, mit Geifer besudelte Mund und das Winseln, das er von sich gab, als wäre er ein sterbendes Tier. Seine Brille war nicht zu finden. Das Ausgraben des Eisenpflocks, an dem die Falle mit einer Kette befestigt war. Der schlaffe, puppenartige Körper, den sie über das Gatter heben mussten. Der Moment, als Bruder Gabriel sich auf den Arm von Kyle erbrach, der ihn unter den Achseln festhielt. Dann verlor der alte Mann das Bewusstsein, und sie fürchteten schon, er sei tot. Das Verstauen der Taschen, die Kyle bis zur totalen Erschöpfung über die Wiese geschleppt hatte, im Kofferraum ihres Wagens. Dan, dem auch schlecht wurde und der sich aus dem Beifahrerfenster lehnte. Sie verfuhren sich auf den vielen Straßen und Wegen in der Nähe des Gehöfts. Bruder Gabriel wachte auf und schrie jedes Mal vor Schmerzen, wenn sie durch ein Schlagloch fuhren. Die Falle und das zerquetschte Schienbein, bedeckt von Dans Jacke. Sie wussten nicht, wo sie einen Arzt oder ein Krankenhaus finden konnten. Hatten keine Ahnung, wie sie mit der schrecklichen Verletzung
umgehen sollten, und ignorierten sie sträflich. Klopften an die Türen von grauen Häusern in einem Dorf, schafften es nicht, sich bei dem einzigen Mann verständlich zu machen, der ihnen in dieser deprimierenden Ansammlung trauriger Behausungen öffnete. Dan sank erschöpft auf die Straße und blieb sitzen, während der Franzose sich flüsternd mit Bruder Gabriel auf Französisch austauschte. Der hatte inzwischen auf dem Rücksitz schlimm zu zittern begonnen, und sein Gesicht nahm allmählich die gleiche gräuliche Farbe wie die umliegende felsige Landschaft an. Dann wurde Werkzeug geholt, und die rostigen Eisenzacken wurden von dem mageren blutigen Bein gelöst. Das eigenartige Geräusch, das der Fuß des Alten in seinem zerschlissenen Schuh machte, aus dem das Blut quoll.
»Krankenwagen?«
»Non .«
»Warum nicht?«
»Non .«
Das vergebliche Fragen nach dem richtigen Weg, die Schmerzensschreie von Bruder Gabriel, der sie übertönte. Sie folgten einem verbeulten Citroën, an dessen Steuer ein kahlköpfiger Franzose saß, der kein Wort Englisch sprach, zu einem Krankenhaus. Die Fahrt dauerte eine halbe Ewigkeit, draußen war es längst finster, und immer weiter ging es durch die schwarze Nacht. Würde diese Fahrt denn nie enden? Wohin führte er sie denn?
Aber dann tauchte doch noch das Krankenhaus mit seinen grünen und gelben Lichtern vor ihnen auf, und Dan redete hysterisch und wirr auf Bruder Gabriel ein. »Krankenhaus, Mann. Reiß dich zusammen. Wir haben’s geschafft. Sind gleich da. Alles wird gut. Im Krankenhaus. So, da
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