Der letzte Tag: Roman (German Edition)
Strömen über sein Gesicht und drang beißend in seine Augen. Er kniff die Augen zu und hörte, wie Conway weiterredete: »Aber hier, wo wir gerade stehen, ist alles tot. Hier wächst überhaupt nichts. Genau wie damals, 1975.« Conway fuhr sich mit der Zunge über die dünnen Lippen. Seine tiefliegenden Augen waren undurchdringlich. Er zog sich die Baseballkappe vom Kopf und fuhr sich mit der Hand über den sommersprossigen Schädel, dann setzte er die Mütze wieder auf. »Seit damals ist hier in der Mine nichts mehr gewachsen. Gar nichts.«
Kyle blickte sich aufmerksam um, jetzt wusste er, was der Ex-Bulle meinte. Er deutete auf eine Gruppe abgestorbener Bäume. »Die da sind auch tot.«
Conway nickte zustimmend. »Mesquitebäume. Die waren mal schön grün.«
»Kaum zu glauben, dass hier mal jemand gelebt hat.«
»Die waren hier zwei Jahre lang und haben alles abgetötet.«
Conway ging auf Dan zu und sagte: »Also los, bringen wir es hinter uns.« Das war ein Befehl.
Auf dem Gelände der Mine befanden sich acht Gebäude, angefangen bei einem Haus, das wie ein Laden aussah und relativ groß war, bis zu einer Reihe von kleinen Hütten und einem längeren Gebäude von der Größe einer Scheune. Die weiß gestrichenen Ziegelwände waren ausgetrocknet, und die Farbe blätterte ab, sodass größtenteils der nackte rötliche Stein zu sehen war. Wo ein Dach noch vorhanden war, hatte sich das vom Rost rot gefleckte Wellblech völlig verformt, oder es waren die schwarzen, mittlerweile von Insekten zerfressenen Deckenbalken zu sehen. Verandadächer hingen schräg herab bis zum staubigen Boden oder
toten Gras. Rund um die kleine Siedlung erstreckte sich ein Zaun, der, wenn er nicht zusammengebrochen war, völlig schief hing.
Kyle warf Dan einen Blick zu. »Kann’s losgehen?«
Dans Gesicht war schweißnass. Er wirkte jetzt schon völlig erschöpft von dem Gewicht der Kamera auf seiner Schulter. »In manchen Gebäuden ist es vielleicht ein bisschen zu dunkel. Ich hab die Lampen in die erste Hütte gestellt, wo du gesagt hast. Wir müssen sie vielleicht mitnehmen, falls wir irgendwo länger bleiben.«
»Perfekt.« Grelles Licht leuchtete das Innere des länglichen weißen Gebäudes aus, vor dem sie standen. »In jener Nacht, war dies das erste Gebäude, das Sie durchsucht haben?«
»Das ist richtig.«
Dan schob die Kamera auf seiner Schulter in eine günstigere Position. »Vielleicht gehe ich einfach hinter Mr. Conway her. Was meinst du?«
Kyle nickte zustimmend und wandte sich dann wieder an den ehemaligen Polizisten. »Mr. Conway, wir können das so oft machen, wie Sie möchten …« Er wollte noch etwas hinzufügen, aber Conway schien sich weder für seine Einleitung noch für die vorgegebene Richtung zu interessieren. Der Ex-Bulle starrte bloß durch die Türöffnung in das Gebäude, mit der gleichen Intensität wie er die toten Bäume angeschaut hatte.
»Sergeant Matt Conway war der erste Polizist, der in der Nacht des 10. Juli 1975 in der Mine ankam.« Kyle sprach seinen Text hinter Dans Schulter. Die Kamera war auf den alten Polizisten gerichtet und nahm ihn im Profil auf, während er die kleine Siedlung überblickte. »Mr. Conway, können Sie uns erzählen, was in jener Nacht vorgefallen ist? Versuchen Sie, sich so gut wie möglich zu erinnern.«
Conway warf Kyle einen Blick zu, als wollte er sagen: Spiel bloß nicht den Oberschlauen, Engländer! Dann sah er wieder weg. »Ich erinnere mich an alles. Nächte wie diese enden nie.«
Kyle blickte zu Dan, der in seinen Sucher grinste.
»Der Notruf kam um Viertel nach zehn in der Polizeizentrale in Yuma an. Ein Typ, der auf einer Ranch ungefähr fünf Meilen von hier lebte, hatte Schüsse gehört. Sein Name war Aguilar. Er ist inzwischen gestorben. Sein Sohn wohnt jetzt dort. Ihm gehört auch diese Mine. Ich hoffe, Sie haben sich bei ihm eine Drehgenehmigung geholt?«
Kyle nickte. Dan unterdrückte ein Kichern.
Conway drehte der Kamera den Rücken zu und deutete über die Schlucht zu dem Hang, der das Tal begrenzte. »Die Geräusche hier im Tal werden ziemlich weit fortgetragen. Bis hin zu seiner Ranch. Man kann dort alles hören, was hier so vor sich geht. Hier in der Mine gab es kein Telefon. Die waren total von der Außenwelt abgeschnitten. Aber Aguilar sagte, er hätte Schüsse gehört. Sehr schnell hintereinander. Vom Klang her vermutete er, dass es ein Gewehr war. Als er dann auf einen Hügel auf seinem Grundstück stieg, sah er so eine Art
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