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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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irische Vorfahren, deren Haut sich an das nasse, kalte Klima der nördlichen Hemisphäre angepasst hatte. Darüber hinaus wirkte er, als könnte er jeden Moment massive Herzprobleme bekommen. Er war schweißgebadet, und sein ausladender Oberkörper wölbte sich unter dem kurzärmeligen Hemd. Die gemusterte Krawatte um seinen dicken Hals schien ihm die Luft abzuschnüren.
    Als sie gesehen hatten, wie der alte Bulle sich aus seiner riesigen Lincoln-Limousine stemmte und über den Parkplatz des Schnellrestaurants
in Yuma auf sie zukam, waren Kyle und Dan versucht, vor sich hin zu grinsen. Seine schwarze Hose war weit über den Bauchnabel hochgezogen und gab den Blick frei auf ein Paar weiße Socken über blank geputzten schwarzen Schuhen. Aber nachdem er in das kühle, klimatisierte Diner getreten war und sie aus scharf blickenden, leuchtenden Augen angeschaut hatte, verging ihnen das Grinsen innerhalb des Bruchteils einer Sekunde. Sie waren sehr schnell davon überzeugt, dass sie Lieutenant Conway ernst nehmen mussten.
    Draußen, auf dem Gelände der Mine, blieb der ehemalige Polizist undurchschaubar. Er stand einfach nur da und starrte mit verkniffenen Augen, die tief in ihren fleischigen Höhlen lagen, in die Gegend. Dieser Blick war Kyle alles andere als angenehm, zumal man überhaupt nicht auf das schließen konnte, was im Kopf dieses Mannes vor sich ging, außer, dass er offenbar mit irgendetwas unzufrieden war. Auf der Fahrt hierher hatte er kaum etwas gesagt: ein paar knappe Hinweise bezüglich der Landschaft und des Wetters, alles schnell und ohne Emotion vorgebracht, während Kyle vergeblich versuchte, mit ihm ein Gespräch anzufangen. Immerhin ließ Conway sich zu der Bemerkung hinreißen, er habe Tony Blair gemocht: »Der war so wie wir. Der wollte die Welt in Ordnung bringen.« Das war die einzige halbwegs konkrete Bemerkung, die er von sich gab. Neben ihm kam Kyle sich viel jünger und zaghafter vor, als er war. Dan fand ihn undurchsichtig und war misstrauisch.
    »Die Gegend hier sieht aus wie in einem Western«, sagte Kyle zu Conway und deutete auf die abgestorbenen Bäume. Kaum hatte er das gesagt, bereute er es auch schon wieder. Aber der Ex-Bulle schien ihn gar nicht gehört zu haben.
    »Die haben sich nicht verändert«, sagte Conway unvermittelt zu sich selbst oder vielleicht auch zu Kyle.
    »Bitte?«
    »Wüsteneisenholz.«
    »Die Bäume?«
    »In der Wüste regnet es ziemlich oft. Die meisten Leute wissen das nicht. Sogar im Sommer. Und diese hier kriegt mehr ab als die meisten anderen. Wenn der Sommer kommt, blühen die Bäume. Wie Immergrün. In diesem Jahr sind schon zwanzig Zentimeter gefallen. Aber diese Bäume da sehen immer noch aus wie im tiefsten Winter.«
    Der ehemalige Detective wandte sich ab, entfernte sich von den Bäumen und ließ Kyle vor den vertrockneten schwarzen Stämmen stehen, die so alt aussahen wie Fossilien, mit skelettartigen, spitzen Zweigen. Die meisten Äste lagen wie Treibholz auf dem grauen, steinigen Wüstenboden.
    »Sehen Sie mal hier.«
    Kyle drehte sich zu Conway um. Der Polizist deutete mit seiner breiten Hand auf einige Büsche, die abgestorbenen Tomatenpflanzen ähnelten. »Teufelskralle. Sollte jetzt eigentlich blühen. Da drüben, das ist ein Puderquastenstrauch. Der sieht im Sommer sehr hübsch aus. Rosa Blüten, man nennt ihn auch Feenquaste. Aber hier blüht nichts.« Kyle folgte ihm zu einem dichten Gestrüpp abgestorbener Büsche, wo auch keine Blüten zu sehen waren. Verwundert sah er Conway an, als dieser mit der Hand in einer Richtung deutete: »Sehen Sie da, wo die Saguaro-Kakteen anfangen? Da ganz hinten? Wo sie mit den Kreosot-Büschen zusammenstehen und wo die Geisterblumen anfangen? Und diese kleinen gelben Bäumchen dazwischen, das sind Parkinsonien. Ungefähr zwanzig Meter weiter. Sehen Sie das?«
    »Ja.« Kyle bemühte sich, nicht zu enttäuscht dreinzublicken. Er hasste es, wenn die Anwesenheit einer Kamera die Leute zum Schauspielen brachte, aber andererseits fand er es auch irritierend, wenn jemand völlig gleichgültig reagierte.
    »Da fängt die Wüste wieder an. Gleich hinter dem Zaun dort. Eine Wüste voller Leben. Lassen Sie sich bloß nicht erzählen, die Wüste sei tot.«
    Kyle schaute hinüber zu den Überresten eines Lattenzauns und darüber hinweg, wo grüne Flecken und farbige Punkte inmitten des grauen Staubs zu sehen waren. Dann blickte er den alten Mann fragend an, weil er nicht kapierte, worauf er hinauswollte. Schweiß lief in

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