Der letzte Tag: Roman (German Edition)
Mitte, die zur Seite gekippt war und die beiden anderen umgeworfen hatte.
Ich weiß noch, dass ich später dachte, wenn sie nicht umgekippt wäre, dann hätten die alle dort nebeneinander gekniet. Vier Tote mit durchgeschnittenen Kehlen, und in der Mitte eine Fünfte mit dem Kopf in ihrem Schoß.«
Vom Ort dieses Verbrechens gingen sie schweigend, was Conway anscheinend nur recht war, zu dem zweiten Gebäude, das im spitzen Winkel zu dem lang gestreckten Haus stand. Das verrostete Vordach über der Veranda war heruntergefallen. Es war einst von zwei jetzt schief stehenden Holzpfosten gehalten worden, und nun wirkte das Gebäude so, als würde es zur Seite kippen. Die weiße Farbe oder der Putz war von den Außenwänden abgeblättert und gab den Blick frei auf verwitterte Ziegelsteine. Das Wellblechdach war wie bei einer halb geöffneten Konservendose nach oben gebogen und hatte sich gelockert.
»Da drin haben wir die Kinder gefunden. Wir standen draußen und leuchteten mit unseren Taschenlampen zuerst zur Tür hin, aber wir sahen nur, dass sie geschlossen und von außen verrammelt war. Aber wir hörten, dass sich etwas bewegte. Als würde sich etwas herumwälzen. Drinnen. Vielleicht Hunde. Wir riefen laut und hörten daraufhin so ein Winseln und Heulen, und da war ich mir sicher, dass es Hunde sein mussten. Ich dachte mir, dass der Mörder sie wahrscheinlich eingesperrt hatte, weil sie Krawall machten, als er seinem blutigen Geschäft nachging. Deshalb entschieden wir, dass wir später noch mal zu diesem Gebäude zurückkommen wollten, denn es war ja abgeschlossen, und wir wollten nicht, dass die Hunde hier über den ganzen Tatort rannten. Aber als ich mich schon der nächsten Hütte zuwandte, richtete Jiminez seine Lampe durch dieses kleine Fenster hier an der Seite.«
Conway ging langsam auf das Fenster an der Seite des Gebäudes zu. »Und Jiminez schaute mich an und war noch entsetzter als in dem Moment, wo wir die toten Hippies fanden. Und er sagte zu mir: ›Da sind Kinder drin.‹ Also ging ich hin und sah selbst
rein. Es waren fünf Kinder. Vier von ihnen hockten auf dem Boden. Total verdreckt, mit langen Haaren, aber sie trugen normale Kleidung. Und das andere Kind, das schätzungsweise zwei Jahre alt war, stand einfach nur da und starrte auf meine Lampe. Zwei von den verdreckten Kindern waren total verängstigt, drängten sich aneinander und sahen völlig verwirrt aus. Aber der kleine Blonde sah einfach nur wie ein Engel aus. Mit großen blauen Augen. Und er war sauber. Nackt, zitternd und gewaschen. Was überhaupt nicht passte, weil die anderen ja so verwahrlost waren. Aber der stand einfach nur da, mitten im Zimmer, und schaute mich an. Ich vermute, er stand unter Schock. Ich fragte sie, ob alles in Ordnung sei mit ihnen, bekam aber keine Antwort.
Immerhin waren sie da drin sicher. Also gingen wir weiter, um die anderen Gebäude zu inspizieren.«
Conway hielt inne und wischte sich erneut über die Glatze, diesmal mit einem makellos weißen Taschentuch.
»Sollen wir mal eine Pause machen?«, schlug Kyle vor. Der Polizist nickte.
»In diesem Haus fanden wir den Mörder, Bruder Belial. Allerdings wussten wir an dem Abend noch nicht, wie er genannt wurde.« Es war das kleinste der übrig gebliebenen Gebäude, kaum größer als ein Gartenhäuschen. »Die Tür war zu, aber man konnte einen Mann da drinnen beten hören. Jedenfalls klang es wie beten. Und er hörte nicht auf damit, als wir vor ihm standen. Jiminez trat die Tür ein und richtete die Lampe auf ihn. Direkt in sein Gesicht. Das werde ich mein Leben lang nicht vergessen.
Der Typ hatte einen Vollbart und trug eine schmutzige Kutte. Er kniete auf dem Boden. Die Kutte hatte ungefähr die gleiche Farbe wie das Holz da drin, also konnten wir eigentlich nur sein Gesicht deutlich erkennen. Er hatte einen richtig wilden Blick. Seine Haare waren total wirr, und dann diese Augen. Die schienen direkt durch uns zu starren. So was kenne ich von Drogensüchtigen.
Und er hockte da und redete vor sich hin. Zu Gott vielleicht, keine Ahnung. Er reagierte überhaupt nicht auf uns. Und dann bemerkte Jiminez seine Hände. Die waren voll Blut. Und die Unterarme auch, bis zu den Ärmeln der Kutte. Also hatten wir beide, mein Kollege und ich, im gleichen Moment denselben Gedanken, nämlich dass dieser vor sich hin brabbelnde Irre der Mörder sein musste. Was dann ja auch stimmte.
Und bei ihm da drin, direkt vor seinen Knien, sahen wir auch ein langes Messer. Es
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