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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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den Himmel mit draufkriegen.«
    Kyle wandte sich wieder seinem Skript zu, das er in den Staub neben dem DAT-Rekorder gelegt hatte, und sprach weiter seinen Kommentar ein, während Dan Nahaufnahmen von einem anderen übrig gebliebenen Gebäude machte. »Gut. Dies ist Grenzland, wo eigenartige Transporte und Schiebereien stattfinden, zumeist unbemerkt, und hier im Norden ist man nicht sehr erfreut darüber. Und es ist eine Gegend, in der viele kleine Orte und Geschäfte im Laufe des letzten Jahrhunderts aufgegeben wurden. Nur Ruinen sind übrig geblieben. So wie in Blue Oak, dreißig Kilometer östlich von Yuma, an der Interstate 8, in den Fortuna Foothills. Hier befindet sich eine verlassene Kupfermine. Der letzte Minenarbeiter verlor hier seinen Arbeitsplatz im Jahr 1946. Die Mine war bis 1973 völlig verlassen, aber in diesem Jahr kamen ganz neue Bewohner an diesen Ort. Menschen, die eigenartiger waren als alle anderen, die man in dieser Gegend je zuvor und wohl auch danach zu Gesicht bekam.
    Die Vorhut des Tempels der Letzten Tage nahm diese heruntergekommenen Gebäude im Winter 1973 in Besitz. Nur vier Mitglieder
der Sekte waren aus Europa mit hierhergekommen. Im Laufe des Jahres nahm die Gruppe jedoch zahlreiche neue Mitglieder auf, manche kamen von allein, andere wurden in Los Angeles angeworben. Auf dem Höhepunkt, im Frühjahr 1974, lebten hier über vierzig Männer, Frauen und Kinder in einer Kommune und fristeten ihr Dasein in dieser abgelegenen und einsamen Gegend. Zu den neu Hinzugekommenen gehörten auch die Brüder Belial, Moloch und Baal, die bald zum exklusiven Führungszirkel der Sieben gehörten. Wie der ihrer Anführerin wurden auch ihre Namen später im Zusammenhang mit schändlichen Verbrechen genannt. Das, was den übrigen Sektenmitgliedern im Jahr 1975 zustieß, machte Blue Oak schließlich in aller Welt bekannt.«
    »Bist du fertig?«
    »Ja. Ich hol dann mal Lieutenant Conway, damit er uns den Tatort zeigen kann. Kannst du das Tempelgebäude für beide Kameras ausleuchten? Dann sparen wir Zeit, je schneller wir alles im Kasten haben, umso besser.« Auf dem Minengelände war deutlich mehr Licht als auf dem Bauernhof in der Normandie, und obwohl Dan in den Gebäuden mit noch stehenden Wänden die Blende weit öffnen musste und deshalb nur eine geringe Tiefenschärfe hatte, konnte er so die Ruinen im natürlichen Licht aufnehmen, solange sich nichts bewegte.
    »Geht klar. Mit Stativ?«
    Kyle verzog das Gesicht. »Ich dachte eher, dass wir beim zweiten Durchgang das Stativ nehmen. Jetzt nimm erst mal die Canon auf die Schulter.« Obwohl sie eigentlich nicht viel vom Einsatz der Handkamera hielten, wollten sie auf einen gewissen Anteil von Steadicam-Aufnahmen nicht verzichten, um visuell für Abwechslung zu sorgen.
    Dan nickte zustimmend und machte sich konzentriert daran, die Perspektiven vom technischen Standpunkt her festzulegen.
    »Übrigens«, sagte Kyle leise. »Ich find’s super, dass du mitgekommen bist. Ehrlich.«
    Dan schaute ihn an und nickte. »Hauptsache, du sorgst dafür, dass Conway nicht auf eine gottverdammte Schlange tritt.« Damit wandte er sich wieder der Kamera zu.
    Kyle sog so heftig an seiner Wasserflasche, dass das Plastik sich nach innen wölbte und in seiner Hand knackte. Er ging rüber zu Lieutenant Conway, der immer noch mit dem Rücken zu ihnen dastand und bislang kein erkennbares Interesse für ihre Arbeit gezeigt hatte, weder bei den Aufnahmen der halb verfallenen Gebäude, noch vorhin, als sie einen Establishing Shot vom Wüstenpanorama gedreht hatten. Er stand regungslos und ganz für sich am Rand, hatte die Sonnenbrille abgenommen, starrte in das nicht mehr ganz so grelle Sonnenlicht und schien eine Ansammlung abgestorbener Bäume zu fixieren.
    Kyle wunderte sich vor allem darüber, dass jemand mit so heller Hautfarbe an einem Ort leben konnte, wo die Sonne derart gnadenlos brannte und alles verdorrte. Seine mächtigen Unterarme und sein breites Gesicht waren mit zahllosen dicken Sommersprossen und Leberflecken übersät, die dunkel geworden waren und wie verbrannte Marmeladenflecken wirkten. Dazwischen schimmerte seine helle Haut rosig wie ein frischer Schinken. Das, was von seinen Haaren noch übrig war, wurde von einer Baseballkappe der Arizona Diamondbacks verdeckt, die mal grellorange gewesen sein musste. Nur im Nacken sah man säuberlich gestutzte Haare, feucht vom Schweiß. Seine Augenbrauen waren noch immer rotblond. Er hatte wahrscheinlich schottische oder

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