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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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hätte man sie niedergeschossen und liegen gelassen, damit die Hunde die Sache zu Ende bringen.«
    Conway stand schweigend da, starrte auf den kaputten Zaun und dachte über die Spuren eines Mordfalls nach, die er als junger Streifenbeamter vor sechsunddreißig Jahren vorgefunden hatte.
     
    Conway setzte sich auf die Veranda des Hauptgebäudes, in dem er die ersten Toten gefunden hatte. Die Kamera befand sich für die zweite feste Einstellung nach ihrem Gang über das Gelände wieder auf dem Stativ. Hinter der kleinen Siedlung schien der Wüstenhimmel in Flammen zu stehen. Die Sonne hing dicht über der fernen Bergkette, und der feuerrote Himmel war mit rosafarbenen und blauen Streifen überzogen. Der Horizont färbte sich schon dunkel, und bald würde die Dämmerung hereinbrechen. Jenseits des Zauns sah man die schwammartigen schwarzen Schatten der Saguaro-Kakteen, die an die Kulisse eines Roadrunner-Comics oder Hollywood-Western erinnerten. Dan hatte den
einzigen noch übrig gebliebenen Akku angeschlossen, um die letzte Einstellung auszuleuchten.
    »Als wir durchgaben, was wir alles gefunden hatten, trafen die anderen Steifenwagen ein. Drei Sergeants und zwei Lieutenants. Ungefähr gleichzeitig tauchten auch die ersten Reporter auf. Sie hatten den Polizeifunk abgehört. Und sie hörten eine Menge von dem, was die Beamten am Tatort besprachen, woraus sie dann ihre verrückten Berichte für die Medien zimmerten. Alles Spekulation. Sie schossen auch die Fotos von den Toten am Zaun und das berühmte Bild von Bruder Belial auf dem Rücksitz des Streifenwagens, wo er weiter vor sich hinfaselte.
    Am Morgen waren dann sechzig Polizisten vor Ort. Drei Beamten wurde schlecht, nachdem sie die Leichen beim Stacheldrahtzaun gesehen hatten.« Conway schüttelte müde den Kopf. »Es war ein einziges Durcheinander. Viele Spuren wurden zerstört oder verändert. Beweise gingen verloren. Es waren Polizisten aus Phoenix hier und wir alle aus Yuma. Der Tatort wurde nicht abgesperrt. Das war alles viel zu groß für uns, so was waren wir überhaupt nicht gewohnt. Alle waren total überdreht.
    Aber es waren auch zwei Detectives von der Mordkommission aus Phoenix gekommen. Und ein Untersuchungsrichter. Die brachten etwas Ruhe rein. Sahen zu, dass die Spuren gesichert wurden. Und nachdem sie sich alles angesehen hatten, bestätigten sie das, was Jiminez und ich von Anfang an gedacht hatten: Es gab keine Spuren eines Kampfes bei den fünf Opfern im Hauptgebäude. Das, was die Hippies hier Tempel nannten. Die Beamten von der Mordkommission zogen den Opfern Plastikbeutel über die Hände, um eventuelle Spuren unter ihren Fingernägeln zu sichern. Dann hörten wir bis zur Autopsie in Phoenix nichts mehr bezüglich der Todesursachen.
    Den vier Opfern, vor dem Stacheldrahtzaun war mit drei verschiedenen Waffen in den Rücken geschossen worden, als sie wegrannten. Also war Belial nicht der einzige Schütze gewesen.
Das hörten wir aber erst später von den Gerichtsmedizinern. Zwei von den Opfern mit den aufgeschlitzten Kehlen am ersten Tatort hatten auch einige von den armen Kerlen auf dem Gewissen. Bruder Moloch und Bruder Baal, das waren die anderen zwei Schützen. Ihre Fingerabdrücke wurden auf den beiden anderen Gewehren gefunden. Also hatten Moloch und Baal auf die vier am Zaun geschossen und sich dann in den Tempel gehockt, um sich die Kehlen von Belial durchschneiden zu lassen.
    Die Opfer am Zaun hatten alle Abwehrverletzungen an den Händen. Das wurde uns zwei Wochen später mitgeteilt. Wir hatten gedacht, diese Verletzungen kämen vom Stacheldraht, aber das war falsch. Die sind überhaupt nicht so weit den Zaun hochgekommen. Die Verletzungen an ihren Händen haben sie sich zugezogen, als sie unten am Boden gegen etwas kämpften, das sie gebissen hat. Aber das waren keine Hunde. Auch keine Pumas. Es waren Wunden von menschlichen Zähnen an ihren Händen und in ihren Gesichtern. Und sie sind verblutet. Die Mordkommission hat nie herausgefunden, wer sie gebissen hat oder was benutzt wurde, um ihnen solche Verletzungen zuzufügen, falls es doch keine Bisse waren. Die Beamten vermuteten, dass es Waffen waren, die aus Knochen gemacht worden waren, die die Hunde dann verschleppten. Ich bin mir da nicht so sicher.«
    Conway war wieder an einem Punkt angelangt, wo er eine Pause machen musste. Erneut sah er aufmerksam zu den abgestorbenen Eisenholzbäumen. Kyle räusperte sich. »Sie haben sicher in Ihrer beruflichen Laufbahn eine Menge

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