Der letzte Tag: Roman (German Edition)
unerfreulicher Dinge gesehen, Mr. Conway. Später sind Sie ja noch Kriminalbeamter geworden. Sie haben bestimmt an einigen Fällen gearbeitet, die sich nicht vollständig aufklären ließen. Die irgendwie keinen Sinn ergeben haben. Ungelöste Fälle. Aber nach vierzig Jahren bei der Polizei haben Sie ganz bestimmt einen siebten Sinn für derartige Ermittlungen entwickelt. Was sagt der Ihnen, was ist hier passiert?«
»Ich kann Ihnen nur das sagen, was ich auch den anderen erzählt habe, die mir im Laufe der Jahre diese Frage stellten. Aber die meisten wollen nichts davon wissen. Sie wollen etwas Übernatürliches darin sehen. Mit Ufos oder Zauberei oder so einem Blödsinn. Irgendwas Spektakuläres. Aber ich sage Ihnen mal was zum Thema Polizeiarbeit. Polizisten haben immer mit dem Schlimmsten zu tun. Dem Übelsten am Menschen. Machen Sie sich da mal keine Illusionen. Tagein, tagaus geht das so. Das ist unsere Aufgabe. Und hier draußen hatte sich eine Gruppe von Arschlöchern verschanzt. Die waren völlig durchgeknallt. Die hatten Drogen und ihre komische Bibel und Waffen und was weiß ich noch alles. Und sie lebten in ihrer völlig eigenen Welt. Nicht in der, in der Sie oder ich oder die meisten anderen halbwegs vernünftigen Menschen leben. Sie hatten keinen Respekt vor dem Gesetz, nur für die Regeln, die ihre Anführerin aufstellte, um sich selbst Vorteile zu verschaffen. Diese ganzen armen Irren wurden nur umgebracht, weil sie sie kannten. Schwester Katherine hat diese Horde von Hippies zusammengetrommelt, um sie zu belügen, zu betrügen und zu manipulieren. Sie nahmen Drogen, wurden paranoid und drehten durch. Diese Schwester Katherine ist der unanständigste Mensch gewesen, von dem ich je gehört habe. Haben Sie mich verstanden? Unanständig! Obszön ! Dieses Wort habe ich, glaube ich, noch nie für einen Menschen benutzt. Die war durch und durch verdorben. Und sie hat ihre Leute hier wie wilde Tiere hausen lassen. Hat sie aufeinander gehetzt, dafür gesorgt, dass sie durchdrehen, und das auch noch in der Nähe einer ganzen Waffensammlung. Was hier passiert ist, war praktisch unvermeidlich. Die Kollegen in Los Angeles haben das Gleiche mit diesem Charles Manson erlebt. Irgendwelche anderen Polizisten in einer anderen Gegend werden es wieder erleben. Man muss kein FBI-Experte oder Profiler sein, um zu sehen, was hier abging. Die sind vom Weg abgekommen, und das hat sie umgebracht.«
Kyle nickte im Off. »Aber was ist mit dem Nebel, den Sie und Ihr Kollege bemerkt hatten? Und dem Lärm von den verschwundenen Hunden?«
Conway schüttelte den Kopf. »Na ja, es gibt in jeder Geschichte offene Fragen. Die Wüste kann einem alles Mögliche suggerieren. Ich habe mein ganzes Leben hier draußen verbracht, und ich stoße immer wieder auf überraschende Dinge.«
Conway nickte eine Weile vor sich hin, die Augen fast ganz zugekniffen. »Das mit den Fußabdrücken war schon schwieriger zu erklären. Die meisten wurden ja von den herumrennenden Beamten zerstört. Jiminez und ich waren da auch nicht besser. Aber da ließ sich halt nichts mehr machen. Es waren so viele Männer hier, die rumstiefelten, dass die meisten Fußspuren zertreten wurden. Aber die Abdrücke, die in den Blutpfützen gefunden wurden und die die Spurensicherung mit Spezialkameras fotografiert hat, waren eigenartig. Genau wie die am Zaun. Ganz lang. Und knochig.«
Kyle musste schlucken und sich sehr beherrschen, um ruhig zu bleiben. »Diese Bissspuren … bei den Opfern? Sie sagten, Sie glauben nicht, dass die von Waffen stammen.«
»Oder diese Verletzungen an den Schultern, die von Klauen zu stammen schienen. Außerdem roch es überall nach verdorbenem Fleisch. Und dann noch diese Bilder an den Wänden. Aus denen sind wir nie schlau geworden. Die Spurensicherung hat die Wände in dem Gebäude fotografiert, wo wir die Leichen fanden. Wir haben uns die Wände nicht weiter angeschaut, als wir an diesem Abend da drin waren. Aber später habe ich Fotos davon gesehen. Das ist jetzt alles verschwunden. Die Sonne und der Wind haben den Wänden seit vierzig Jahren zugesetzt. Die Bilder sind jetzt wahrscheinlich völlig verblichen.«
Kyles Körpertemperatur sackte ab. Seine Stimme klang dünn und hoch und nervös. Er merkte, wie Dan sich neben ihm anspannte. »Bilder? Da waren Bilder an den Wänden? Oder waren
es eher Symbole?« Levine hatte nur okkulte und satanistische Zeichen an den Wänden des Gebäudes beschrieben, das mal als »Tempel«, mal als
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