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Der letzte Tiger

Der letzte Tiger

Titel: Der letzte Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Luttmer
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weniger gut. Da gab es heute wirklich bessere Alternativen.
    »Und Sie? Was wollen Sie drüben in Laos?«, fragte Bang.
    Ly überlegte, was er antworten sollte. Er war ja eigentlich nur hier, um etwas zu plaudern, nicht um nach Laos zu fahren. Er konnte für seine Ermittlung nicht einfach so internationale Grenzen überschreiten. Es würde schon so genug Ärger geben, wenn herauskam, dass er außerhalb von Hanoi ermittelte.
    »Ich suche einen Freund.« Er zog das Foto von Truong heraus.
    »Den kenn ich«, sagte Bang sofort.
    Ly sah den Jungen überrascht an. »Bist du sicher?«
    »Der zuckte so mit einer Augenbraue, oder?«
    Ja, Truong hatte diesen nervösen Tick gehabt. Ly spürte die Aufregung, die ihn immer ergriff, wenn er das erste Mal merkte, dass er auf der richtigen Fährte war.
    »Wann war er hier?«, fragte er.
    »So vor einer Woche etwa.«
    »Und was hat er in Na Cai gewollt?«
    »Keine Ahnung, ob er überhaupt bei uns im Ort war. Ich hab ihn im Wald gesehen.«
    »Im Wald?«, fragte Ly.
    Bang sah Ly kurz erschrocken an, wandte dann ruckartig den Blick ab und starrte auf seine nackten Zehen, mit denen er Spuren durch den Staub auf dem Betonboden zog. »Mein Vater verprügelt mich, wenn er es erfährt«, murmelte er.
    »Was erfährt?«
    »Dass ich im Wald war.«
    »Wieso?«
    Bang zog die Nase hoch und sagte leise: »Er mag den Wald nicht.«
    »Aber du gehst trotzdem in den Wald.«
    »Manchmal, mit Xang. Das ist mein bester Freund. Aber den mag mein Vater auch nicht.«
    »Den Sohn des Schamanen?«
    Bang nickte. Er schien sich nicht zu wundern, dass Ly Xang kannte. »Wissen Sie, die Hmong sind nicht so beliebt hier.« Er flüsterte. Es schien ihm regelrecht unangenehm, es auszusprechen. »Die Leute sagen, sie würden Drogen schmuggeln. Und viel Geld damit verdienen. Aber das ist Blödsinn. Die versuchen doch nur zu überleben. Ich bin manchmal mit Xang unterwegs, wenn er Pilze sammelt oder Kardamom. Den verkauft er dann auf dem Markt. Xang kennt sich gut im Wald aus. Nur auf die Jagd hat er mich noch nie mitgenommen, er sagt, das sei nichts für mich.«
    »Was jagt er?«
    »Echsen, Schlangen, so genau weiß ich das nicht. Einmal hat er mir eine Schildkröte geschenkt. Aber sie ist gestorben.«
    »Und mein Freund hier.« Ly hielt immer noch das Foto in der Hand. »War er alleine unterwegs?«
    »Hm. Ich weiß nicht. Ich habe nur ihn gesehen.«
    »Du weißt nicht, was er im Wald gemacht hat?«
    Bang zuckte mit den Achseln und sprang auf. Ein Jeep fuhr aus vietnamesischer Richtung auf den Schlagbaum zu. »Soll ich fragen, ob er Sie mitnimmt?«
    »Nein, danke«, sagte Ly. »Heute ist es wirklich zu nass.«
    Bang trat an die Tür und winkte den Wagen durch.
    »Musst du nicht die Papiere kontrollieren?«, fragte Ly.
    »Ach was, wir kennen uns doch alle hier.«
    Ly saß noch eine Weile bei Bang, doch der wich allen weiteren Fragen zu Truong und dem Wald aus. Als ein vietnamesischer Militärlaster von Laos aus über die Grenze fuhr, nahm der Fahrer Ly und die Vespa für ein paar tausend Dong bis nach Na Cai zurück mit. Zusammen mit drei jungen Soldaten stand Ly auf der Ladefläche. Bei jedem Schlagloch, durch das der Laster preschte, fuhr ihm der Schmerz durch den Arm. Zum Glück hatte es zumindest aufgehört zu regnen.
    *
    Zurück in Na Cai suchte Ly vergebens nach einer Garküche oder einem kleinen Restaurant. Aber immerhin gab es einen Krämerladen, in dem er Instantsuppen, Mineralwasser und Schmerztabletten kaufen konnte. Wo er schon da war, fragte er auch gleich noch nach Truong. Der Ladenbesitzer sah auf das Bild und sagte, er kenne den Mann nicht.
    In seiner Unterkunft merkte Ly, dass die einzige Steckdose im Raum kaputt war. Er fluchte. Der Akku seines Handys war immer noch leer. Und eine Instantsuppe konnte er sich jetzt doch nicht aufbrühen. Er öffnete die Tüte und aß die Nudeln trocken.
    »Hey«, rief jemand von draußen. Ly blickte hinaus. Es war ein Junge, um die zwanzig, auf einer aufgemotzten Yamaha. Er trug Jeans und Baseballjacke und eine – wie Ly fand – reichlich alberne Haartolle über der Stirn.
    So stellte die Dorfjugend sich die Stadtmode vor, fürchtete Ly.
    Ohne den Motor auszustellen, rief der Junge: »Sie! Sind Sie der Kommissar?«
    »Wieso?«
    »Die Baronin lädt Sie ein. Sie sollen um sieben zu ihr kommen. Zum Karaokeabend. Hauptstraße runter und vor dem Dorfausgang rechts hoch.«
    »Baronin?«, fragte Ly. Doch der Junge hatte schon wieder Gas gegeben und fuhr mit aufheulendem

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