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Der letzte Tiger

Der letzte Tiger

Titel: Der letzte Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Luttmer
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Ihr Vater?«
    Er gab ein hustendes Lachen von sich. »Nein, nur ihr Nachbar.«
    »Wissen Sie vielleicht, wann sie wieder in Hanoi ist?«
    Der Mann musterte Ly. »Nein, weiß ich nicht. Rufen Sie sie doch an, wenn Sie ein Freund sind.« Er trat jetzt in den Flur hinaus, zog die Tür hinter sich zu und stieg die Treppe hinunter. Alle paar Stufen wartete er, dass Ly ihm auch wirklich folgte und das Haus wieder verließ.
    *
    Ly beeilte sich, ins Präsidium zu kommen. Er wollte mit Tu sprechen und ihm von Truong und der möglichen Verbindung zum Tierhandel erzählen. Vielleicht konnte Tu ihm ja doch mal helfen, und wenn auch nur mit ein paar Informationen für Lys eigene private Ermittlung.
    In der Eingangshalle des Präsidiums hatten die Viettel -Handwerker die Wand mittlerweile über mehrere Meter aufgerissen und dabei ein Wasserrohr getroffen, ohne dass es sie zu kümmern schien. Sie ließen das Wasser einfach plätschern. Ly ging kopfschüttelnd an ihnen vorbei die Treppe hinauf. Etwas zu sagen würde ja doch nichts bringen.
    Lan saß barfüßig, die Beine hochgelegt, auf ihrem Sofa und war in ein Buch vertieft.
    »Hallo«, sagte Ly. »Rufst du bitte mal Tu an, er soll hochkommen.« Doch Lan schien ihn nicht zu hören. »Hey, Lan!«, rief er.
    Sie sah auf und schaute ihn überrascht an. »Ah, hallo Ly. Ich hab dich gar nicht kommen hören.« Sie hielt ihmdas Buch hin, das sie gerade las. »Guck mal. Das habe ich vorhin in einem der Buchläden an der Oper gekauft.«
    Auf den ersten Blick sah es nach einem Tierbuch aus, wie Ly sie in Truongs Wohnung gefunden hatte. Auf dem Cover war ein Gecko abgebildet. Der Titel allerdings lautete: »Tiere in der traditionellen Medizin«.
    Ly nahm das Buch und blätterte es durch. Es war alphabetisch nach Tierarten sortiert. Neben Feldgrillen, Hasen und Ziegen waren auch Tiere wie Bären, Schildkröten, verschiedene Affenarten, Nashörner, Elefanten, Zibetkatzen und Tiger aufgelistet. Unter den jeweiligen Tieren folgten die Rezepte für die Herstellung der Medikamente.
    Ly blätterte zum Tiger auf Seite 154 und überflog die sechs eng bedruckten Textseiten. Da gab es Rezepte für Medikamente gegen schwache Knochen und Rheuma, Ekzeme, Haarausfall, zur allgemeinen Kräftigung, gegen stechende Schmerzen in den Sehnen und gegen Durchfall. Für fast alle Rezepte wurden entweder Knochen in pulverisierter Form benötigt oder Knochenpaste, für die die Knochen vorher über sieben Tage eingekocht werden sollten. Nur gegen Ekzeme war es ein Tigerzahn, von dem die heilende Wirkung ausgehen sollte. Er musste in Alkohol eingelegt werden, um damit dann die betroffenen Hautpartien einzureiben.
    »Das Buch ist gerade erst rausgekommen«, sagte Lan, während er noch las. »Mit keinem Wort wird da erwähnt, dass es illegal ist, die Medikamente herzustellen. Die zensieren doch sonst immer alles.«
    *
    Nachdem Lan Tu angerufen hatte, war er sofort zu ihnen hochgekommen, und Ly hatte ihm knapp von seiner Fahrt nach Na Cai in der Provinz Son La erzählt, von der Baronin und von seinen Zweifeln am Unfalltod Truongs. Dann trug er Tu seine Theorie vor, dass es zwischen der Baronin und dem Tierhandel einen Zusammenhang gab. Vielleicht, so sagte er, hatte Truong sterben müssen, weil er der Baronin oder den Wilderern, die für sie arbeiteten, auf die Spur gekommen war. Das würde zu der Tatsache passen, dass Truong im Wald unterwegs gewesen war.
    »Ach was«, sagte Tu. »Die Tiere, die in den Handel gehen, werden mittlerweile illegal gezüchtet oder, wenn sie gejagt werden, dann im Ausland. Hier bei uns sind die Wälder fast leer. Da lohnt sich die Jagd kaum noch.«
    »Dann eben Tierschmuggel. Gleich bei Na Cai gibt es einen Grenzübergang«, setzte Ly nach und ärgerte sich, dass Tu immer widersprechen musste.
    »Tierschmuggel in Son La, im großen Stil?« Tu biss nachdenklich auf seiner Unterlippe herum und schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Es muss so sein«, sagte Ly.
    »Nicht in Son La.« Tu erklärte, dass der Tierschmuggel auf dem Landweg fast ausschließlich über Cau Treo lief, einem Grenzposten viel weiter südlich in der Provinz Ha Tinh. Die Schmuggler hätten sich da ein zuverlässiges Netzwerk aufgebaut. Polizei und Grenzbeamte seien involviert, vermutlich sogar Leute vom Militär. Kaum ein Ermittler würde sich da reinwagen. Letztens erst seien da unten zwei Polizisten, die es doch versucht hatten, tot aus einem Kanal gezogen worden.
    »Das heißt aber doch nicht, dass sie nicht auch überSon La

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