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Der letzte Tiger

Der letzte Tiger

Titel: Der letzte Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Luttmer
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wieder junge Leute für dich.«
    Lan schob Huong und Lam, diesen Tierschützerfreundseiner Tochter, durch die Tür. Ly sprang auf. »Was macht ihr denn hier?«
    »Wir müssen mit dir reden«, sagte Huong. Sie war blass. Ly sah sie an und hatte sofort ein ungutes Gefühl. Wieso kam seine Tochter mit diesem Lam hier an? Sie war doch nicht etwa schwanger?
    »Setzt euch«, sagte er hastig. Seine Stimme zitterte.
    »Wir dachten, vielleicht interessiert es dich, Papa.«
    »Was soll mich interessieren?«
    »Es ist wegen diesem Fall mit dem Tiger.«
    »Der Tiger?« Ly konnte nicht behaupten, begeistert zu sein, dass Huong sich in seine Ermittlung einmischte, aber es war doch besser als das, was er eben einen Moment lang befürchtet hatte. So einen wie diesen Lam als Schwiegersohn, das wäre es noch gewesen. Was hatte Thuy gesagt, wie alt er war? Neunzehn? Ly fand, er sah älter aus. Er war groß und sein Gesicht kantig. Seine langen Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz gebunden. Auf sein T-Shirt war ein Nashorn gedruckt, dazu die Worte: »Mein Horn ist keine Medizin«.
    Lam zog ein Notebook aus seiner Umhängetasche und fuhr es hoch. Ly beobachtete, wie er dabei auf dem Piercing in seiner Lippe herumkaute.
    »Also?«, fragte Ly.
    Als habe Lam nur auf das Stichwort gewartet, fing er an zu reden: »Es gibt neun registrierte Tigerfarmen in Vietnam. Insgesamt leben da rund hundert Tiere. Die Betreiber sagen, sie würden die Tiere züchten, um sie später auszuwildern. Aber das ist Unsinn.« Zumindest von fünf Farmen sei bekannt, dass sie den Schwarzmarkt belieferten. Tiere würden einfach von den Farmen verschwinden,Geburten würden gar nicht erst gemeldet und auffallend oft starben Tiere, die dann vermutlich verkauft worden waren. Nachschub ließen diese Leute sich im Wald fangen, vor allem in Myanmar und Thailand, wo noch mehr Tiger lebten als in Vietnam.
    Lam sprach ruhig und sachlich, was Ly so nicht von ihm erwartet hatte. »Wenn das stimmt, wieso verbietet man die Farmen nicht?«, fragte Ly.
    »Hat man versucht. Und es sah ganz gut aus«, sagte Lam.
    »Der Premierminister«, sagte Huong. »Er hat sich eingemischt. Er hat so einem reichen Brauereibesitzer persönlich erlaubt, Tiger zu halten.« Daran, dass Huong so schnell sprach, erkannte Ly, wie aufgewühlt sie war.
    »Wir haben eine Datenbank aufgebaut«, sagte Lam. »Mit allen Tigern, die in Vietnam in Gefangenschaft leben. Auch die in staatlichen Zoos und Tierparks.« Er drehte das Notebook so, dass Ly den Bildschirm sehen konnte, und stellte mehrere Tigerfotos nebeneinander. Ly fragte sich, wieso diese Tierschützer so eine Datenbank hatten und nicht die Umweltpolizei.
    »Jeder Tiger ist anders«, sagte Lam. »Die Streifen der Tiger sind wie Fingerabdrücke.«
    »Ihr habt den Tiger vom Literaturtempel in eurer Datenbank?«, fragte Ly. Vielleicht könnte er diesen leidigen Fall doch schneller lösen, als er gehofft hatte.
    »Nein«, sagte Lam. »Der kommt vermutlich aus dem Ausland. Aber …« Anstatt den Satz zu Ende zu führen, legte Lam die Volkszeitung mit dem Artikel über den Fund im Haus an den Gleisen neben das Notebook. Ly sah zwischen dem Foto in der Zeitung und denen auf demBildschirm hin und her. »Der Tiger aus der Kühltruhe kommt von einer Farm?«, fragte Ly.
    »Er kommt aus dem Zoo«, sagte Huong.
    Ly sah sie fragend an. »Aus welchem Zoo?«
    »Hanoi. Der Tiger hieß Dong«, sagte Huong.
    »Der Hanoier Zoo?« Das war nicht das, was Parteikommissar Hung hören wollte.
    »Der Zoo hat vor drei Wochen mitgeteilt, dass der Tiger gestorben ist«, sagte Huong. »Er soll an einer Plastiktüte erstickt sein.«
    »Also war er tot, als er verkauft wurde?«, fragte Ly nach.
    »Ein Verkauf ist illegal, so oder so«, sagte Lam. »Verstorbene Zootiere müssen verbrannt werden, gerade damit sie nicht im illegalen Handel landen. Jedes einzelne Tier auf dem Schwarzmarkt heizt nur die Nachfrage weiter an.«
    *
    Keine zehn Minuten später saß Tu in Lys Büro. »Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte er, nachdem Ly für ihn zusammengefasst hatte, was er erfahren hatte.
    »Sag mal, musst du immer dagegen halten?«, fuhr Ly ihn an. »Schau dir die Fotos von dem Tiger aus dem Zoo an. Es ist ganz sicher unser Tiger aus der Kühltruhe.« Lan hatte sich die Fotos von Lams Notebook kopiert und war gerade dabei, sie auszudrucken.
    »Das mag ja sein«, sagte Tu. »Vielleicht haben die Leute vom Krematorium den Tiger verkauft. Aber direkt aus dem Zoo?« Er schüttelte den

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