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Der letzte Vampir

Der letzte Vampir

Titel: Der letzte Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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vor dem Licht verstecken, als würden sie die verwesenden Arme heben, um sich zu schützen, als Caxton näher kam. Sie waren mit Draht befestigt, damit sie in Position blieben.
    In der Mitte des Raums nahmen zwei Leichen einen Ehrenplatz ein. Sie stellten offensichtlich das Meisterstück der Sammlung dar. Beide waren Frauen, und ihre Haut war ganz weiß, mit dunklen Flecken übersät, wo sich nach ihrem Tod die Flüssigkeit gesammelt hatte. Einer fehlte ein Arm, davon abgesehen waren sie vollständig. Man hatte ihnen das Haar aus der Kopfhaut gerissen. Sie waren in einer intimen Umarmung erstarrt, küssten sich.
    Nein, das stimmte so nicht. Caxton ging näher heran, um besser sehen zu können. Sie küssten sich nicht nur. Die unteren Gesichtshälften waren miteinander verschmolzen, Lippen und Zähne entfernt, sodass sie wie siamesische Zwillinge an den Mündern miteinander verbunden waren.
    »Sagen Sie mir, falls ich mich irre. Aber ich glaube, er hatte es speziell auf Sie abgesehen«, sagte Arkeley. »Ich glaube, Sie haben ihn angemacht.«
    Der Anblick reichte nicht aus, um ihr Übelkeit zu bereiten. Sie wollte sich übergeben, aber ihr Körper war nicht in Stimmung dafür. Ihre Gefühle gehörten nicht ihr allein. Sie wollte eine unverkennbare Reaktion auf den ganzen Tod hier zeigen, doch Reyes ließ das nicht zu. Er war stolz auf das, was er hier geschaffen hatte. Und was auch immer er fühlte, sie fühlte es ebenfalls. Die Leichen zu sehen holte ihn ins Leben zurück, jedenfalls ein bisschen. Er krümmte sich in ihr zusammen, voller Aufregung, sein altes Zuhause wiederzusehen. »Ich muss hier raus«, sagte sie zu Arkeley. Nicht, weil sie angeekelt fliehen wollte. Sondern weil ihr irgendwie gefiel, was sie da sah.
    »Was hat Reyes geplant? Was war sein nächster Schritt?«, fragte Arkeley. Er wollte, dass der Vampir aufwachte, in Caxton an die Oberfläche stieg. Ihre Identifizierung mit Reyes war für ihn nur ein weiteres Werkzeug. Er glaubte, das würde es ihr erleichtern, sich an Reyes’ Pläne zu erinnern. Und das tat es, auch wenn diese Pläne, an die sie sich erinnerte, aus einer früheren Zeit stammten, als er das erste Mal von Laura Caxtons Existenz erfahren hatte.
    Er hatte sie ins Visier genommen. Um diese Information musste sie nicht einmal kämpfen. Reyes wollte, dass sie unwillkürlich daran dachte, als wäre es ein Lieblingslied. Reyes hatte auf sie Jagd gemacht, auf Pennsylvania State Trooper Laura Caxton, ganz egal, was er Malvern gesagt haben mochte. Es war ihm nicht darum gegangen, die Vampirkiller auszuschalten. Er hatte sie gewollt, ihren Körper. Als er erfahren hatte, dass sie lesbisch war, als seine Halbtoten ihr Haus beobachtet und gesehen hatten, wie sie mit Deanna schlief (O Gott, was hatten sie gesehen? Wie viele Nächte hatten sie draußen vor dem Fenster gestanden und ihnen zugesehen?), hatte ihn das sexuell erregt.
    Vampire sollten Menschen nicht als sexuelle Wesen wahrnehmen, das wusste sie jetzt. Es war, als wollte ein Mann eine Kuh ficken. Aber Reyes war von ihr besessen gewesen. Er hatte sich an all die Männermagazine erinnert, die er zu Lebzeiten betrachtet hatte. Er hatte immer viel für die Lesbenfotos übrig gehabt. Sie hatten ihn immer scharf gemacht. Er hatte sich vorgestellt, wie sie sich zum Orgasmus leckten, sich dabei verzweifelt nach einem richtigen Mann sehnten, der vorbeikam und ihnen zeigte, was ihnen zu wahrem Glück fehlte. Wenn er sie zum Vampir machte, vielleicht konnte er sie dann ficken. Vielleicht würde sie ihn dann ficken wollen.
    Diese Erinnerung reichte endgültig aus – Übelkeit schoss in ihr hoch. »Ich muss hier raus!«, schrie sie. Sie wirbelte herum, und die Leichen starrten sie an, ihre toten Augen richteten sich auf ihr Gesicht. Wie sie Reyes angebetet hatten. Oder ihn gefürchtet hatten, ja, sie hatten ihn alle gefürchtet, das war das Letzte gewesen, was sich auf ihren Gesichtern abgezeichnet hatte, diese Furcht. Reyes hatte es geliebt.
    »Wie sah sein nächster Schritt aus?«, fragte Arkeley. Er stand vor der Treppe. »Wollte er weitere Vampire erschaffen? Wollte er warten, bis er vier zusammen hatte, um Blut zu Malvern zu bringen? Wo ist Scapegrace in diesem Augenblick?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Lassen Sie mich raus.« Die Knochen. Die Knochen der Toten – der Tod selbst. Der Tod rief nach ihr, ihr eigener Tod, Selbstmord, der Tod anderer, Mord. Reyes streckte sich in ihrem Kopf wie eine Raubkatze, wohlig erschöpft, zufrieden mit

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