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Der letzte Vampir

Der letzte Vampir

Titel: Der letzte Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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nicht so schnell brannte wie die anderen. Sie können nicht ertragen, dass Sie versagt haben. Als das Gericht seine Entscheidung traf, als es beschloss, dass Sie sie nicht töten dürfen … das hat Sie bei lebendigem Leib aufgefressen, oder? Sie sind verheiratet. Vesta Polder sagte, Sie seien verheiratet. Haben Sie Kinder?«
    »Zwei. Mein Sohn ist auf dem College, oben in Syracuse. Meine Tochter ist Austauschstudentin. In Frankreich.« Seine Miene versteinerte. Er sah sie nicht einmal an – seine Augen waren nach oben gerichtet, als würde er von einem Notizzettel ablesen, der auf der Innenseite seines Schädels klebte. »Nein«, sagte er. »Belgien.«
    »Da mussten Sie jetzt aber lange überlegen.« Sie war gehässig, aber sie war der Meinung, dass Arkeley das aushalten konnte. »Dieser Fall ist alles, was Sie haben. Er ist Ihr Lebenswerk. Darum sind Sie auch so unbeugsam. Darum lassen Sie sich nicht helfen: weil Sie den Ruhm am Ende nicht teilen wollen.«
    »Ich arbeite größtenteils allein, das ist wahr. Es verhindert, dass andere Menschen getötet werden. Hätten Sie gestern ausgeschlafen, wie Sie sollten …«
    Sie unterbrach ihn. »Was ist das Hauptfach Ihres Sohns? In Syracuse?«
    Er machte sich gar nicht erst die Mühe, ihr zu antworten. Machte ihr auch keinen Vorwurf. Marschierte einfach stur weiter, auf das Umspannhaus zu.
    »Sie würden alles tun, um Malvern zu erwischen, oder?«
    »Ja«, sagte er. »Alles.« Er öffnete die Tür des Umspannhauses, als wünschte er sich, sie aus den Angeln reißen zu können. Er schaltete eine Taschenlampe ein und gab sie ihr. Er hatte noch eine eigene. Sie traten ein, in eine fast perfekte Dunkelheit. Durch die kleinen Fenster drang nur ein diffuser gelber Glanz, ein dumpfes Licht, das nichts erhellte. Caxton ließ den Strahl ihrer Lampe über gewaltige Konstruktionen aus aufgerolltem Kupferdraht und lackierten Holzhebeln, so lang und dick wie ihre Arme, wandern. Sie waren verziert wie Bettpfosten. Das mussten die ursprünglichen Leitungsschutzschalter sein, aus der Zeit, als das Umspannwerk eröffnet worden war, vor hundert Jahren.
    »Was machen wir hier?«, fragte sie. Sie richtete das Licht auf den Boden und sah eine Falltür. Wie die im Stahlwerk. Sie wollte nicht da runtergehen. Wirklich nicht. »Was ist da unten?«
    Er richtete seine Taschenlampe auf ihr Gesicht. »Sagen Sie es mir«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme.
    Vielleicht wollte er sich einfach nur für ihre Fragen über sein Privatleben revanchieren. Vielleicht wollte er es auch einfach wissen.
    »Wir hatten recht, oder?«, fragte sie. »Reyes hat diesen Ort als Versteck benutzt. Bevor er ins Stahlwerk zog.« Das war reine Spekulation. Für alles andere musste sie den Vampir in ihrem Kopf fragen. Sie seufzte und schloss die Augen. Arkeley machte die Lampe aus, und sie stand in völliger Dunkelheit. Sie griff in die finsterste Ecke ihres Gehirns – und fühlte eine bleiche Hand nach ihr schnappen. Es war aber nur eine Metapher, und sie löste sich mühelos aus dem Griff des Geistes. »Er hat dort unten viele einsame Nächte verbracht. Hat nachgedacht. Geplant. Dort hat er beschlossen, einem von uns eine Falle zu stellen. Malvern gefiel die Idee nicht, aber er hielt das für witzig. Er wusste auch, dass Sie und ich für Congreves Tod verantwortlich waren.« Sie öffnete die Augen, sah aber bloß bunte Lichtreflexe. Dinge, die das Auge sieht, wenn es keine Reize gibt. »Er hat Malvern gesagt, er wollte einen von uns fangen und auseinandernehmen. Es würde Spaß machen, und es würde sie wieder sicher machen. Ich nehme an, er hätte lieber Sie erwischt, da Sie es waren, der getötet hat.«
    »Denken Sie noch einmal nach«, sagte Arkeley. Seine Kleidung raschelte, als er sich in der Dunkelheit bewegte. Er hob die Falltür, und sie hörte Echos von unten emporwallen.
    Sie richtete ihr Licht die Treppe hinunter und zwang sich zum Weitergehen. Unten kamen sie in einen weitläufigen Raum voll feuchter Luft, die nach Moder und verfaulenden Blättern und, schwächer, nach etwas anderem roch, das noch fauliger war. Sie schwenkte den Lichtstrahl umher und sah die Leichen.
    Viele Leichen. Es war schlimmer als in der Jagdhütte. Diese Leichen hingen an den Füßen von der Decke, ihre Arme baumelten nach unten, Wasser rann ihre Finger herunter und tropfte zu Boden. Sie waren an den Wänden festgemacht, mit riesigen Eisenringen, die im Laufe der Zeit verrostet waren. Sie hockten in den Ecken, als würden sie sich

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